Dublin und Irland an sich sind für mich ja sowieso immer eine Reise wert. Aber wenn dann auch noch die jährlich abgehaltenen Vibe For Philo stattfinden (die Rede ist natürlich von Phil Lynott, dem legendären Sänger / Bassisten und Songwriter von THIN LIZZY), dann ist das sozusagen das Sahnehäubchen. Unter dem Motto „Running Back" fand diese Veranstaltung zum mittlerweile 24. Mal statt, wobei als Location diesmal die Button Factory gewählt wurde, die vor einigen Jahren noch Temple Bar Music Center hieß. Hierbei handelt es sich um einen kleinen, aber sehr feinen Rock Club, der mit einem Balkon mit ca. 100 Sitzplätzen ausgestatten ist, und vor der Bühne schätzungsweise 500 Menschen stehplatztechnisch Platz geben kann.
Einlass war um 20:00h und zu diesem Zeitpunkt war es noch recht übersichtlich in der Halle. Auf der Videoleinwand im Backdrop der Bühne liefen Videos von THIN LIZZY, die immer wieder durch Interviews mit ehemaligen Bandmitgliedern und dem Veranstalter der Vibes Smiley Bolger unterbrochen wurden. Dieser kam um kurz vor 21:00h höchstpersönlich auf die Bühne, um die jetzt doch zahlreich erschienen Fans zu begrüßen und auf den Abend einzustimmen. Leider war der Club nicht restlos ausverkauft, was wohl hauptsächlich an der eisigen Kälte lag, die Irland an diesen Tagen fest im Griff hatte und vielen Fans von außerhalb Dublins einfach keine Chance gab, ihre Orte zu verlassen. Bat Kinane, seines Zeichens Gitarrist der Band GLYDER, verpasste aus diesem Grund zum ersten mal seit 10 Jahren die Vibes, weil er in den Wicklow Mountains komplett zugeschneit war.
Pünktlich eröffnen durften die 24. Vibes die jungen Iren SILVERBAND, die sich in ihrer Heimatstadt Dublin natürlich mächtig ins Zeug legten. Der Sound war hier schon prächtig, und auch wenn Sänger Paul Morrin zu Beginn mal den einen oder anderen Ton nicht hundertprozentig traf, war der Gig absolut klasse. Hut ab vor den Jungens, die sich unter anderem mit „Do Anything You Want To" und „Running Back" nicht gerade leichte Kost aus dem reichhaltigen THIN LIZZY Songfundus ausgesucht hatten.
25 Minuten später und ohne Umbaupause oder ähnlichen Firlefanz ging es mit THE QUICKSAND BAND weiter. Es funktioniert also auch so: Musiker klinken ihre Instrumente aus, die nächsten stöpseln sich ein, und weiter geht's. Und das, Kompliment an den Soundman in der Button Factory, ohne irgendeinen Qualitätsverlust. „Borderline", „Kings Call", „Sarah" und „Cold Night" standen auf der Setlist der Iren, die ihre ausgewählten Songs zwar gut interpretierten, aber mir persönlich war der Gesang von Justin Corr etwas zu hoch. Dass Bassist Eoin Mellin optisch der dritte HOUSEMARTIN hätte sein können, ist dabei nur am Rande erwähnenswert.
DAVE MORRISSEY, ein aufstrebender Songwriter in Irland, der Anfang 2010 sein Debütalbum „Bring Out The Light" auf den Markt bringen wird, durfte danach die akustischen Varianten von „Old Town" und „She Knows" zum Besten geben. Verstärkt durch einen zweiten Gitarristen und eine Backgroundsängerin machte er dabei einen sehr guten Job, war aber für die feierfreudigen Iren doch etwas zu zahm. Irgendwie wollten jetzt alle langsam auch mal richtig was „auf die Omme" bekommen.
Als Smiley dann als nächsten Act METALLITIA ankündigte, die sich hauptsächlich als Metallica-Tribute Band ihr Geld verdienen, war der Jubel dementsprechend laut. Und als die Jungens mit „Thunder & Lightning" loslegten, war auch der Sound in der Factory um einiges lauter als bei den Bands zuvor.
Dass die Band einiges auf dem Kasten haben muss, beweist die Tatsache, dass sie im April für Ex-IRON MAIDEN Fronter Paul Di'Anno als Backing Band auf dessen Tour durch Irland fungierten. Auch heute Abend konnten sie absolut begeistern, denn ihre rohen und lauten Versionen von „Cold Sweat", „Bad Reputation", „Black Rose" und „Whiskey In The Jar" ließen in der Knopffabrik zum ersten Mal die Stimmung richtig überkochen. Tolle Vorstellung.
In der nächsten kurzen Pause nutzte Smiley Bolger die Chance, schon mal eine kleine Ankündigung für die 25. Vibe For Philo im nächsten Jahr unters Volk zu bringen. Dafür hat er offensichtlich schon Zusagen von Musikern und Ex-THIN LIZZY Recken wie Gary Moore, Brian Downey, Scott Gorham, Darren Wharton und Eric Bell. Und obwohl sein Erscheinen eher unwahrscheinlich ist, hat er wohl auch schon Kontakt zu Bono von U2 aufgenommen. Und wer Smiley Bolger kennt, der weiß, dass der Mann fast alles möglich machen kann.
Kontrastprogramm pur: Nach dem fetten Pfund von METALLITIA kamen die Jungens von TUPELO um 22:40h mit Saxophon, Geige, Banjo und Standbass auf die Bühne, und Sänger / Banjospieler James Cramer überraschte mit der Ankündigung, nur zwei Songs spielen zu wollen. Da es sich hier aber um „Extended Versions" von „Dublin" und „Running Back" handelte, kamen trotzdem alle auf ihre Kosten, und James verstand es perfekt, das Publikum mit in die Songs einzubinden und sie immer wieder zum Mitsingen zu animieren. Wie ich nach einigen Konzertbesuchen in Irland weiß, ist das aber auch nicht so wirklich schwer, denn die Iren an sich sind ein äußerst sangesfreudiges Volk. Auch wenn die gesamte Band sehr eingespielt und spielfreudig wirkte, sind mir die Saxophon Soli von Timothy Condron besonders in Erinnerung geblieben.
Dagegen gab die BARRY WHYTE BAND eher Gelegenheit, sich mal eben für ein Guiness anzustellen. Gitarrist und Namensgeber Barry spielte zwar wirklich ein technisch verdammt cooles Set, aber sein für dieses Event eingeladener Sänger und im wahrsten Sinne des Wortes Vortänzer Danny Shannahan war nicht wirklich textsicher und vor allem in seinen Bewegungen so was von unrhythmisch, dass ich zuerst gedacht habe, er wäre vielleicht ein Deutscher, denn dafür sind wir ja eigentlich berühmt und berüchtigt. Egal, denn eigentlich war der Auftritt schon deshalb quasi zum Scheitern verurteilt, weil Smiley sie als letzte Band vor dem Hauptact ankündigte, auf den natürlich alle hier sehnlichst warteten.
Diesmal dauerte auch die Umbaupause etwas länger und wurde von Videos wie unter anderem „Still In Love With You" und einem Interview mit Phils Mutter Philomena überbrückt. Diese konnte leider nicht live dabei sein, da ihr langjähriger Lebengefährte Dennis Keeley am 01. Januar im Alter von 79 Jahren an den Folgen seines Krebsleidens verstorben ist, und sie verständlicherweise nicht die Kraft aufbringen konnte, sich vor ein Publikum zu stellen, auch wenn es das Publikum war, das ihrem Sohn gedachte. Dennis Keeley war auch mehr odere weniger der Ersatz-Vater von Phil und hat in dessen Leben eine tragende Rolle gespielt.
Als anschließend Sänger / Bassist John Conlon, die Gitarristen Brian Grace (dieser fungierte nebenbei auch als musikalischer Direktor der diesjährigen Vibe For Philo) und Phil Edgar sowie Drummer Eddie G. auf die Bühne kamen, war der Applaus wahrscheinlich auch deshalb doppelt so laut, und sicher wird Philomena ihn bis nach Sutton gehört haben. THE HOODOO RHYTHM DEVILS, so hat sich das Projekt genannt, hatten sich vorgenommen, die komplette „Live & Dangerous" Scheibe zu spielen, womit die Setlist logischerweise auch schon klar war. Die Sirenen von „Jailbreak" kündigten den ersten Song standesgemäß an, und die Vier klangen nicht eine Sekunde wie ein Projekt, sondern eher wie eine jahrelang eingespielte Band. Die Stimmung beim Publikum war vom ersten Ton an fantastisch, und zum Klatschen bzw. Mitsingen musste niemand animiert werden.
Mit einem der wohl mächtigsten irischen Rocksongs „Emerald" ging es nahtlos weiter, und Sänger John Conlon kam stimmlich verdammt nah an Phil heran. Allen Musikern sah man den enormen Spaß an der Sache an, denn sie standen ständig in Blickkontakt miteinander und grinsten förmlich um die Wette.
Dass sie sich in einen Rausch spielten, ist vielleicht zu stark ausgedrückt, aber sie schafften es spielend, die Stimmung der Fans über fast 1,5 Stunden auf einem durchgehend hohen Level zu halten - wobei es gar keine Rolle spielte, ob es sich bei den Songs um eher ruhige Vertreter wie „Still In Love With You", „Southbound" oder „Dancing In The Moonlight", oder die klassischen THIN LIZZY Rocknummern wie „Massacre", „Are You Ready", „Cold Sweat" oder „The Boys Are Back In Town" handelte. Eine Gänsehaut hatte ich eh von Anfang bis Ende, aber als beim „Cowboy Song" nach der Textzeile „... the coyote call..." die komplette Button Factory wie Kojoten mitheulte, musste ich doch richtig kämpfen, dass mir nicht die Tränen übers Gesicht laufen.
Drummer Eddie G. hatte dann standesgemäß bei „Sha La La" seinen großen Soloauftritt, für den man auch den Hut ziehen muss, denn er jagte nur so über die Felle seines Drumkist. Mit „The Rocker", dem letzten Song der „Live & Dangerous" Scheibe, verließ die Band grinsend die Bühne und ließ eine feiernde, singende Menge davor zurück. THIN LIZZY Songs verlieren eben niemals ihre Faszination, und auch Jahrzehnte nach dem die Songs das Licht der Welt erblickt haben, treten sie richtig fett in den Hintern und gehen unter die Haut.
Nachdem sich die Meute etwas beruhigt hatte, gab Smiley die Gewinner der Verlosung bekannt, bei der unter anderem eine nicht käuflich zu erwerbende DVD der letztjährigen Vibes For Philo und ein Gemälde von Phil für einen guten Zweck unters Volk gebracht wurden.
Musikalisch ging es anschließend noch weiter, obwohl schon einige Fans die Button Factory verlassen hatten. KEITH GROGAN & JOHN NESBITT, die bereits auf dem Warm Up Gig, den sogenannten Pre-Vibes am Tag zuvor im Whelans auftreten durften, gaben noch mal eine drei Songs umfassende Akustik Show zum besten, bei der mir persönlich die Version von „Wild One" am besten gefallen hat. Die Norweger YELLOW PEARL, ebenfalls auf den Pre-Vibes positiv aufgefallen, durften ihr Set auch noch mal spielen. Dass sich die Button Factory dabei immer weiter leerte, schien die Jungens nicht wirklich zu stören. Um ehrlich zu sein habe ich von ihnen auch nicht wirklich viel mitbekommen, weil ich mich irgendwie fest gequasselt hatte, und mit Iren, Deutschen und Holländern bei den letzten Pints noch mal das soeben Gesehene Revue passieren ließ.
Fazit: Mein Ticket fürs nächste Jahr ist so gut wie gebucht. Diese Veranstaltung sollte sich definitiv kein THIN LIZZY Fan entgehen lassen, und für seinen 25. Todestag im nächsten Jahr versuchen Smiley und Co. ein wirkliches Hammerevent auf die Beine zu stellen. Dass es stilistisch sehr abwechslungsreich zuging, dürfte ganz im Sinne von Phil Lynott gewesen sein, ebenso wie die Tatsache, dass bei einer solch namhafte Veranstaltung viele junge, irische Bands gebucht wurden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man einem Musiker würdiger gedenken kann als in der Form, wie die Vibe For Philo über die Bühne gegangen sind, und ich bin verdammt froh, dass ich das endlich mal live erleben durfte.
Die Tatsache dass und vor allem auch warum Phils Mutter Philomena nicht dabei sein konnte, tat mir unendlich Leid, und die sympathische Frau, mit der ich mich auf dem Relaunch Gig von GLYDERs „Playground For Life" im Sugar Club ein Jahr zuvor ausgiebiger unterhalten durfte, hat meine aufrichtige Anteilnahme.
SILVERBIRD Setlist (21:00 – 21:25):
Do Anything You Want To
Running Back
Little Darling
Look What The Wind Blew In
THE QUICKSAND BAND Setlist (21:30 – 21:50):
Borderline
Kings Call
Sarah
Cold Black Night
DAVE MORRISSEY Setlist (21:55 – 22:05):
Old Town
She Knows
METALLITIA Setlist (22:10 – 22:35):
Thunder & Lighting
Bad Reputation
Cold Sweat
Whiskey In The Jar
Black Rose
TUPELO Setlist (22:40 – 22:55):
Running Back
Dublin
BARRY WHYTE BAND Setlíst (23:00 – 23:15):
Babyface
Vagabonds
Gonna Creep-Up On You
Black Boys On The Corner
HOODOO RHYTHM DEVILS Setlist (23:30 – 00:45):
"Live & Dangerous"
Jailbreak
Emerald
Southbound
Rosalie
Dancing In The Moonlight
Massacre
Still In Love With You
Johnny The Fox
Cowboy Song
Boys are Back
Don't Believe A Word
Warriors
Are You Ready
Suicide
Sha La La
Baby Drives Me Crazy
The Rocker
KEITH GROGAN & JOHN NESBITT Setlist (01:05 – 01:20):
Wild One
For Those Who Love To Live
Fools Gold
YELLOW PEARL Setlist (01:25 – 02:10):
Killer On The Loose
This Is The One
Bad Habits
Waiting For An Alibi
Got to Give It Up
Genocide
Renegade
Hollywood
Hey You
Chinatown
Sun Goes Down
Dedication
Dear Miss Lonely Heart
Links:
http://www.vibeforphilo.com
http://www.metallitia.com
http://www.myspace.com/barrywhyteguitar
http://www.myspace.com/davemorriseymusic
http://www.myspace.com/briangraceguitar
http://www.tupelo.ie
Bilder (c) by Dirk Götze
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Dirk
Musik: Hard Rock, Heavy Metal, Power Metal, Blues
Bands: Thin Lizzy, Gary Moore, Dio, Savatage, Bloodbound, Y&T, Edguy, Iron Maiden, Judas Priest, W.A.S.P.
Aktueller Dauerrotierer: Herman Frank - The Devil Rides Out