Ensiferum - Unsung Heroes Tipp

ensiferum-unsung heroes

Stil (Spielzeit: Viking Battle Metal / Heroic Folk Metal (61:23)
Label/Vertrieb (VÖ): Spinefarm Records (24.08.12)
Bewertung: 8,5 / 10

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Mit "From Afar" versuchten ENSIFERUM, den epischen Anteil zu erhöhen und dem ganzen rasanten musikalischen Getümmel noch mehr Schnörkel an die Hand zu reichen. Auch wenn die Melodien bombastisch bzw. teilweise schon fast (zu) progressiv waren und dem Sound tatsächlich mehr Nachdruck gegeben haben, sie klangen stellenweise etwas klinisch und steril. Wen das gestört hat, der kann aufatmen, denn bei "Unsung Heroes" ist das nicht so.

Der Sound ist organisch, warm und authentisch. Auch wenn das fünfte Album der Finnen kein Konzeptalbum ist, so wirkt "Unsung Heroes" doch einheitlich wie fast kein anderes ENSIFERUM Album. Es gibt einen zweigeteilten Song – "Celestial Bond" und "Star Queen (Celestial Bond part II") – und die Trackfolge ist angenehm, so dass man sich die Platte gut am Stück anhören kann. Langsam aber stetig schleifen sich ENSIFERUM immer mehr Ecken und Kanten ab und komprimieren ihren individuellen Sound. Teilweise geht das auf Kosten der Leichtigkeit, denn "Unsung Heroes" hinterlässt einen schwermütigen Eindruck und tolldreiste Melodien zum Durchdrehen findet man auf dem neuen Album nur bedingt.

Das neueste Werk ist definitiv kein Schnellzünder und entfaltet sich erst nach mehreren Durchläufen, so dass ich zuerst irritiert war. Es klang alles gut und auch alles nach ENSIFERUM, aber ich war förmlich überwältigt von dieser Riffvielfalt, den Tempowechseln, unterschiedlichen Instrumenten und der Abwechslung in den einzelnen Songs. Ich kam lange nicht über die ersten drei Songs hinaus, da diese im Trio so gut harmonieren und ich immer wieder etwas Neues entdecken konnte.

Den Anfang macht „Symbols", ein stetig anschwellendes Intro, welches schon verdächtig nach Soundtrack klingt und eine anregende, weitschweifende Einstimmung auf „Unsung Heroes" darstellt. Gebannt wartet man auf den Knalleffekt, der sich dann umgehend mit dem ersten richtigen Song "In My Sword I Trust" einstellt. Ein typischer ENSIFERUM Song, bei dem man schon nach dem ersten Durchlauf den kompletten Refrain mitsingen kann. Gallopierende Drums, ein abgehacktes, marschierendes Mainriff und wütender, aufpeitschender ENSIFERUM Gesang von Seiten Petri Lindroos, unterbrochen von einem etwas längeren ausdrucksvollen, schon fast theatralischen Part, der dann in einen harten moshigen Teil mündet. Über die komplette Dauer des Songs wird eine gewisse Spannung aufgebaut, die sich dann gen Ende entlädt. Eines der größten Talente von ENSIFERUM: Sie kitzeln den Hörer geschickt zum Höhepunkt und sind verschwindend selten belanglos oder eintönig.



Nachzuhören im zweiten Song "Unsung Heroes", etwas gesättigter im Aufbau aber nicht minder überzeugend. Das ist wieder einer dieser ENSIFERUM Songs, bei dem aus heiterem Himmel ein Gitarrenriff auftaucht, das dich sofort ergreift und dicke Gänsehaut macht.

"Burning Leaves" ist bereits liveerprobt und es war zu beobachten, dass die Fans den Song sofort angenommen haben. Mich hat der Chorpart zuerst gestört und ich empfand ihn schon fast als disharmonisch, mittlerweile hat sich das gelegt. Ebenso wie bei meinem persönlichen Spätzünder „Pohjola", den ich auch erst als schief und krumm empfand und der sich mittlerweile zu einem meiner Lieblingstracks vom Album gemausert hat, da ENSIFERUM hier eben einfach keine üblichen Songstrukturen anwenden.

Während die Gitarrenarbeit von Markus Toivonen und das Bassspiel von Sami Hinkka deutlich gereift erscheint, hat sich beim Gesang von Petri Lindroos glücklicherweise nicht viel geändert. Er schreit die Melodien nicht kaputt sondern stützt sie und verstärkt sie zugkräftig. Der Gesangsanteil der restlichen Bandmitglieder wurde erhöht, besonders der weibliche klare Gesang fügt sich nicht nur sehr harmonisch in das Gesamtbild von "Unsung Heroes" ein, sondern kann auch bei „Celestial Bond" nachhaltig emotional berühren. Hier spielen ENSIFERUM mit mittelalterlichen Klängen und bieten einen Kontrast zum üblichen Sound. Teile der Melodie werden dann später in „Star Queen (Celestial Bond Part II)" wieder aufgenommen, allerdings diesmal im härteren E-Gitarren Gewand, trotzdem mit klarem, meist doppeltem Gesang.

„Retribution Shall Be Mine" ist der heftigste Song auf dem Album und wird live sicher ein Knaller werden. Er fügt sich problemlos in die zahlreichen Brechersongs von ENSIFERUM ein. Im Rahmen von „Unsung Heroes" stinkt er aber gegen die anderen, anspruchsvolleren Songs ab und hätte für mich besser auf „From Afar" gepasst.

„Last Breath" hat zu Anfang den Charme eines Straßenmusikanten oder einer Seefahrer-Hymne, baut sich dann aber überraschend zu einem großen Stück auf und setzt sich fest. Erst finde ich den pathetischen Männerchor albern, aber irgendwie berührt es mich dann doch. Sehr ursprünglich und wohl für europäische Ohren erst befremdlich.

Der letzte Song "Passion Proof Power" wird viele Hörer nicht nur aufgrund der Länge (17 Minuten) überfordern. Glücklicherweise regt der Song mit seinem Westernintro und der folgenden (sehr) abwechslungsreichen Instrumentierung sehr zu einer Runde Kopfkino ein, so dass man sich um den Sinn des Songaufbaus am besten einfach keine Gedanken mehr macht und nur die einzelnen Segmente des Songs genießen sollte. Fuchs von DIE APOKALYPTISCHEN REITER übernimmt hier eine kleine Sprechrolle als Marktschreier. Der andere hört sich für mich nach BADESALZ an... Momentan fällt der Song bei mir noch unter die Kategorie „Find ich gut, sogar richtig gut, verstehe ich aber nicht...".

Mein Fazit: ENSIFERUM lassen sich mehr Zeit mit den Songs, noch mehr als sowieso schon, die Titel weisen überraschende Wendungen auf, die mich erst irritierten aber durchaus im Zusammenhang mit dem Text und für das Gesamtergebnis passend sind. ENSIFERUM haben sich was getraut und einen Schritt nach vorne gemacht. Noch breiter ist der Graben zwischen Humpa Folk und dem ENSIFERUM Sound geworden.

Vielen wird Schnelligkeit und Härte fehlen, aber so ist das eben in der Schlacht: Es wird nicht nur wild, heftig und erbarmungslos gekämpft, auch Pausen für Erholung und Inspiration müssen sein. Selbst als großer ENSIFERUM Fan habe ich mehrere Durchläufe gebraucht, um Zugang zu „Unsung Heroes" zu finden, aber es lohnt sich! Ihre Einzigartigkeit, ernstzunehmende Konkurrenz ist nicht in Sicht, haben ENSIFERUM mit „Unsung Heroes" eindrucksvoll untermauert.