Geschrieben von Mittwoch, 01 Juli 2009 13:45

Heaven Shall Burn - Interview mit Gitarrist Maik zur DVD 'Iconoclast (Part 2)'

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Nach HEAVEN SHALL BURNs Knaller-LP "Iconoclast (Part 1: The Final Resistance)" folgte wenig später die dazu passende DVD "Iconoclast (Part 2: The Visual Resistance)" und überrollte die Nation und Europa (sogar die USA) wie ein 40-Tonner. Wir baten die Jungs zum Interview, um sie zur aktuellen DVD im Speziellen und ihrer Musik im Allgemeinen zu befragen.

Vorab möchte ich euch zur sehr gelungenen DVD beglückwünschen. Wart ihr schon bei der Produktion des Studioalbums „Iconoclast Part 1" sicher, dass ein „Part 2" folgen wird?

Also, dass man bei der Story „Iconoclast" mehr Material als für das eine Album hat, war klar, aber ob dieses nun für die nächste Platte oder eben eine DVD verwendet wird, wurde erst später entschieden. Wir haben uns schließlich dazu entschlossen eine DVD zu machen, weil es bisschen was Originelleres ist. Wobei es wahrscheinlich auch langweilig gewesen wäre, wenn wir uns für die Platte entschieden hätten.

Auf der DVD sind zwei Shows zu sehen. Steht ihr unter solchen Umständen live dann unter einem besonders hohen Druck oder seid besonders nervös, wenn ihr wisst, dass dieser Auftritt mitgeschnitten wird?

Ich finde, das sieht man bei der Live-Show in Wien auf der DVD ganz schön, dass da alles und jeder auf's Mitschneiden eingestellt ist. Die ganzen Kameras und die Techniker erinnern uns immer wieder daran, dass jede Bewegung, die wir machen, aufgezeichnet und womöglich verwendet wird.

Die Songs sind für solche Umstände natürlich exakt eingeübt, die Lichtshow ist fein abgestimmt und jeder weiß, wo er zu stehen hat. Alles soll halt nahezu perfekt gelingen.
Im Gegensatz dazu war es bei der Show auf'm Summerbreeze nicht so. Da haben wir gesagt: „Haja, schneidet halt mal mit", und wir haben danach geschaut, ob man da was verwenden kann. Wir wussten eben vor der SB-Show nicht, ob diese jetzt die DVD-Show wird. Dann ist es eben auch so, dass man alles viel zu schnell spielt, der Sänger totalen Müll erzählt und wir Instrumentalisten uns auch mal verspielen.

À la „Bring mir Döner mit!" während einer Wall of Death..

(lacht) Genau! Sowas sollte auf der DVD eigentlich ja nicht drauf sein.
Jedenfalls werden solche Shows einfach spontaner.

Wie beeinflusst euch dieser Druck z.B. vor der Show in Wien? Bereitet ihr euch anders vor?

Ne, das eigentlich nicht. Natürlich ist sich jeder eben bewusst, was da abgeht und schaut deshalb nicht doof ins Publikum oder ähnliches. Der Unterschied ist in etwa so, als ob du zu einem Rendezvous aus dem Haus oder du nur Brötchen holen gehst. Da kann beides für sich gut aussehen und wirken, es ist aber eben doch anders.

Auf der DVD hat man auch Einblick in euer Leben „on the road". Was haltet ihr für euer lustigstes/komischstes/seltsamstes Erlebnis, das euch auf Tour passiert ist?

Also es passieren natürlich immer lustige Sachen. Aber es gibt da so ein paar Anekdoten, die natürlich in Erinnerung bleiben. Eine war z.B. auf dem Weg nach Finnland: Wir stehen auf dem Flughafen, und plötzlich kommt einer und erzählt dir, dass deine Airline schon ein halbes Jahr pleite ist.
Wir standen eben mit der Band und der Crew am Schalter und dachten, es sei ein schlechter Scherz. Konsequenz war leider, dass wir die Show absagen mussten, weil kein Ersatzflug möglich war.
Ein anderes Mal waren wir in Tschechien und haben die Ausweise an der Grenze vergessen. Da darfste dann leider nicht zurück, und das ist ziemlich ätzend.

Auch auf der DVD zu sehen: Ihr seid mit einem Ersatzgitarristen und auch dem Drummer von NEAERA unterwegs. Wie habt ihr ihn integriert, und wie lange dauerte es ihn einzuspielen?

Das war ehrlich gesagt nicht so schwer, da er uns schon seit den Anfangsjahren von HSB kennt; er war schon Fan und hatte die Songs somit auch intus. Hinzu kommt natürlich, dass er ein wahnsinnig guter Gitarrist ist und unsere Riffs nicht so wahnsinnig kompliziert sind.

Du hast in einem anderen Interview mal gesagt, dass eure Riffs sehr songdienlich sind und sein sollen.

Ja, genau. Uns geht es nicht darum, wie Cannibal Corpse oder Morbid Angel, irgendwelche Akrobatik zu vollführen. Es geht um Energie. Die Riffs sind nicht schwer zu lernen, wie man auch bei YouTube sieht: Da gibt es so viele Kids, die unsere Riffs nachspielen können.

In Bezug zur angesprochenen Energie: Instrumentalfraktion ist die Rakete und die Lyrics sind der Sprengkopf. So richtig?

Ja, das sag ich immer. Bei uns ist es ganz einfach so. Die Band ist ein Medium für unsere Meinung.

Das heißt, ihr macht es sehr bewusst, dass die Texte eure Meinung deutlich widerspiegeln?

Klar. Du merkst, dass dir mehr Leute zuhören, wenn du eine Gitarre in der Hand hast, als wenn du Flyer verteilst oder für ein Magazin schreibst. So sind im Endeffekt unsere politischen Lyrics entstanden. Es geht uns nicht darum, musikalisch was wahnsinnig Neues oder Innovatives zu erschaffen, sondern einfach unsere Meinung zu verbreiten und auf der Bühne mit der Musik, die wir gerne machen, ne Menge Spaß zu haben.

Die limitierte Edition besteht aus den DVDs und einer Audio CD. Wie schafft ihr es, so ein Mammutprojekt zu produzieren, nebenher Shows zu spielen, zu studieren und noch Zeit für Familie und Freunde zu finden?

Gut, so viele Shows spielen wir ja gar nicht. Ich würde sagen, HSB ist ein völlig aus den Fugen geratenes Hobby. Natürlich muss die Freundin dafür auch mal Verständnis zeigen, aber letztendlich ist das nicht mit irgendwelchen amerikanischen Bands zu vergleichen, welche 300 Shows im Jahr spielen.
Bei uns sind es etwa 40 bis 50 Shows pro Jahr. Wenn du überlegst, dass das von der Anzahl her in etwa einer Show pro Woche entspricht, ist das nicht viel. Andere Menschen gehen einmal pro Woche ins Stadion oder sonst wo hin.
Bei anderen Bands ist es so, dass getourt wird, dann werden zwei Monate Songs geschrieben, dann wird aufgenommen und wieder getourt. Wir hingegen treffen uns auch wöchentlich, um einfach zu proben.

Nochmal kurz zur DVD: Ihr zeigt im Studio-Report - wie auch schon auf dem Album - wie viele Möglichkeiten das Studio im Vergleich zu Live-Auftritten hat. Ich meine damit, dass man im Studio mehrere Gitarren- und Gesangparts übereinander legen, Drum-Computer und Samples nutzen kann. Achtet ihr beim Songwriting stets auf Umsetzbarkeit, oder gibt es einfach reine Studio-Songs? „Numbing the pain" habe ich z.B. noch nie live gesehen oder gehört.

Ja, „Numbing the pain" ist halt ein Song, der an manchen Stellen mit fünf verschiedenen Gitarren eingespielt wurde, und da würden sich die meisten Zuhörer live wundern, warum das nicht so wie auf Platte klingt. Jedoch schreiben wir solche Songs nicht bewusst für's Studio, sondern das entwickelt sich einfach.

Wäre Live-Sampling was für euch?

Nein, ich glaube nicht.

Spielt ihr im Studio rein auf Klick?

Nein, es kommt öfters vor, dass die Tempi geändert werden.
Ein Moshpart z.B. gewinnt wahnsinnig an Groove, wenn man da eben etwas langsamer wird.

Wo wir schon beim Thema sind, komme ich kurz auf Olafur Arnalds zu sprechen: Ein isländischer Komponist, der eure Intros geschrieben hat. Wie ist die Zusammenarbeit mit ihm, und wie viel HSB steckt in den Liedern?

Also die Zusammenarbeit läuft sehr gut und unkompliziert. Es kommt vor, dass wir bspw. ein Riff am Computer aufnehmen, es zu ihm rüberschicken und fragen: „Hey, haste ne Idee?". Oder manchmal schickt auch er was, und wir überlegen uns etwas.
Er spielt auch in so einer Thrashcore Band. Mit der hatten wir mal in Island zusammen gespielt, und da hatte er mir eine CD von sich gegeben. Ich bin davon ausgegangen, dass es von dieser Band sei, aber es war total getragene, klassische Musik. Daraufhin haben wir ihn eben gefragt, ob er nicht mal Bock hat, ein Intro zu machen. Er ist ein sehr junger, relaxter, total talentierter Musiker. Als er die ersten Intros gemacht hat, war er 16.

Sind die Instrumente dafür eingespielt worden oder habt ihr Samples genutzt?

Das sind richtige Instrumente, ja. Es klingt so viel wärmer und auch näher, dadurch, dass es ein echtes Streicherquartett ist. Klar wird auch ne Geige mal gedoppelt, aber prinzipiell ist es schon besser so.

Ist der Computer allgemein für euer Songwriting wichtig bzw. relevant? Wenn ja, inwiefern?

Also das auf jeden Fall. Das ist so eine Art digitales Notizbuch für uns. Wir spielen Riffs eben mal ein, um die nicht zu vergessen. Es kommt auch vor, dass wir einfach mal einen einfachen Drum-Beat nehmen und darauf jammen.
Aber genauso machen wir das auch im Proberaum mit unserem echten Drummer.
Ich finde, man hört es auf manchen CDs auch, wenn sie eher synthetisch entstanden sind.

Kurz zum Equipment: Seid ihr allgemein experimentierfreudig oder seid ihr mit euren zwei bis drei Grundsounds zufrieden?

Wir machen kaum was mit Effekten. Laut, leise und manchmal bisschen clean reicht uns vollkommen.
Selbst im Studio ist es nicht viel. Da geht es nur um ein bisschen Hall oder so.

Was werdet ihr heute live benutzen?

Wir Gitarristen spielen ENGL. Den Blackmore spiel' ich und der Alex den Savage 120. Der Eric spielt nen Ampeg.

Zum Schluss noch zur Zukunft HSBs: Was kann eure Fangemeinde (vielleicht sogar noch 2009) erwarten, und wie glaubt ihr, Iconoclast Part 1+2 toppen zu können?

Also dieses Jahr wird nichts mehr kommen. Zumindest nicht öffentlich. Vielleicht entsteht was bei uns im Proberaum, aber das kriegt ja dann niemand mit. Jedenfalls wird es dieses Jahr keine Platte mehr geben. Das werden wir dann Anfang nächstes Jahr angehen.
Ich glaub nicht, dass es Iconoclast Part 3 geben wird, aber da kann ich nichts versprechen. Ich denke, es wäre etwas zu einfach und jeder würde denken „OK, jetzt hat sich die Platte so gut verkauft, dann nennen sie das Nächste halt Part 3, damit's die Leute das auch noch kaufen."