Geschrieben von Denis Sonntag, 27 März 2011 16:37
Silverstein, There For Tomorrow, While She Sleeps & Today Forever - Berlin, C-Club
Album Nummer fünf steht in den Startlöchern, die aktuelle Tour "Kebaberizer" läuft seit einer guten Woche. Im Beiboot schieben die Bands TODAY FOREVER, WHILE SHE SLEEPS und THERE FOR TOMORROW kräftig mit an den Winden des tosenden Gewitters, das SILVERSTEIN loszulassen gewillt sind. Auge des Sturms wird für die Kanadier in Berlin der C-Club.
Das einzige, was ich von TODAY FOREVER wirklich mitbekomme, sind Teile des Soundchecks - weil ich zu diesem Zeitpunkt durch die Halle huschen darf, um die Backstageräumlichkeiten aufzusuchen, wo ich mit tatkräftiger Unterstützung von Fotofee Fabien ein Interview mit Shane Told zum neuen Album "Rescue" und der laufenden Tour abhalte (welches hier demnächst zu lesen sein wird). Auf dem Weg zurück nach oben in den Club fetzen TODAY FOREVER ihre letzten zwei Songs zum Besten, von denen einer ein schickes Cover von KID DYNAMITEs "Pits and Poisened Apples" darstellt, welches wohl auch später von SILVERSTEIN selbst zu hören sein wird. Die Jungs aus Kassel verdienen als gute Hardcore Band deutschen Bluts wahrscheinlich mehr Würdigung, als hier im C-Club heute aufkommt. Gleichzeitig muss man auch bestätigen, dass die erste von vier Positionen schon etwas Undankbares hat.
Nach entspannten 15 Minuten Umbaupause ballern WHILE SHE SLEEPS mit einer Amplitude durch die Menge, dass es zumindest mich kurzzeitig zu dem Gedanken beflügelt, meine eben ergatterten Ohropax tatsächlich zu benutzen. Ich stehe zu dem Zeitpunkt direkt neben dem FOH, also da, wo der Klang eigentlich "am Besten" sein sollte. Der hintere Teil der Halle ist noch weiträumig begehbar, ausverkauft ist der Abend also (noch) nicht, was vielleicht auch daran liegen mag, dass RISE AGAINST in der C-Halle nebenan spielen.
WHILE SHE SLEEPS sind britischer Herkunft und beschreiben ihren Klang als einen Mix aus Hardcore, Metal und Post-Punk. Genau mit diesem Eindruck schieben die Jungs mich auch schwer durch die Halle. Zeitweise habe ich das Gefühl, ich befinde mich in einer Testhalle für Flugzeugdüsen. Leider erklingt der C-Club tatsächlich eher wie eine große Tüte Krach, als nach differenzierter Konzertanlage, was den Gesamtspaß zeitweise sehr drosselt. Ich kenne die Nummern der Band nicht, fühle mich aber durch Uff-da-Uff-da-Beats und eine Menge Breakdowns mit Metalcore-Melodien an alte Zeiten von ARCHITECTS erinnert. Die vorderen Reihen des Publikums gehören der Band nach zwei Songs aber auf jeden Fall, eine sehr ansteckende Form von Partyvirus, die mich schnell ergreift und meinen Nacken warm laufen lässt.
THERE FOR TOMORROW bieten danach ein Kontrastprogramm, wie es wahrscheinlich nicht besser hätte sein können. Nachdem WSS ihr Toast richtig schwarz und böse mochten, eben so komplett ohne cleanen Gesang und dynamischer Entspannung, präsentieren die Herren aus Florida modernen Alternative der besten Sorte. Auch dauert es hier leider für meinen Geschmack viel zu lange, bis der Mann vom Ton den völlig mittenlosen Klang beseitigt hat. TFT machen aber von Sekunde eins an richtig doll Laune, was sicher auch einfach daran liegt, dass ich solche Musik an diesem Abend nicht erwartet habe. Die Single "A Little Faster" vom gleichnamigen Album ist einer der Songs, der mir sofort im Ohr hängen bleibt. "Deathbed" ist dann ein weiterer Brummer von Ohrwurm! Sänger und Gitarrist Maika beweist eine Bühnenpräsenz, wie ich sie mir von einer coolen Rampensau einfach erwarte. Stimmlich sind er und seine beiden Backvocaler auch eine absolute Wucht, weswegen ich jedem empfehle, der auf Bands wie NURAL oder 30 SECONDS TO MARS steht, sich diese Jungs näher reinzuziehen. Die gelungene Überraschung des Abends.
Nach einer weiteren Viertelstunde Umbau geht dann ohne großes Tamtam das Licht aus und SILVERSTEIN eröffnen das letzte Set des Abends mit ihrem Nackenbrecher "I Am The Arsonist". Jedes Mal einfach toll, wie beim Headliner plötzlich alle Schalter auf Go! gehen. Das gilt auch für mich... Kaum schraubt sich der Breakdown durch die Halle, interessieren mich und meine Umgebung weder entstehende Schweißringe unter dem Shirt, noch fliegende Finger trägheitsüberwindenden Biers, welches seinen Weg beständig aus tanzenden Bechern und hinein in die Menge findet. "Sacrifice" leitet über in einen heißen Auftritt, in dem SILVERSTEIN als Mit-Urgestein des modernen Post-Hardcores beweisen, dass sie klingen wie eine Abrissbirne neben dem Ohr.
Der Sound des Clubs ist mittlerweile auf ein "Okay" angeschwollen. Die Band begeistert mit "Smashed To Pieces", "The Ides of March" oder "Your Sword Vs. My Dagger" das Publikum mit einem breiten Spektrum gespielter Köstlichkeiten aller Albumperioden. Besagter Coversong von KID DYNAMITE erzeugt eine fast schon peinlich-witzige Ruhe im Saal, was damit zusammenhängen mag, dass ein Großteil der Besucher das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Zum Schmunzeln allemal, das Cover war auf jeden fett und fetzig! Die Publikumsknaller "Broken Stars" und "If You Could See Into My Soul" schütteln die Menge und mich und erzeugen große Gesangsvereine. Mit dem neuen Song "The Artist" braten SIVLERSTEIN ihren Broiler für die Besucherschaft besonders scharf an, the Breakdown broke my neck then. Geiler Abgang!
Zum (Vorab-)Ende hin schmeißen Shane Told und Konsorten ihre Singles "Vices" und "Smile In Your Sleep" auf's Parkett. Der Pit vorne tanzt, die Halle hat sich bis auf einzelne Stellen gut gefüllt. SILVERSTEIN waren schon immer die sympathischen Hardcore-boys, weil sie ohne viel Maskerade ihr Ding gemacht haben. So auch an diesem Abend: Nach "Smile In Your Sleep" winken alle zusammen und verdrücken sich von der Bühne. Der prompt aufkommende "One-More-Song"-Chor wird nach gefühlten zwei Minuten von Shane, der sich mit Konzertgitarre bewaffnet hat, beantwortet. Er bedankt sich vorbildlich bei den Vorbands und für den tollen Abend, bittet um Unterstützung für die jungen Künstler und plädiert für weniger Klicks auf sinnlos schlechte Self-Made-Youtube-Musiker, die teilweise höhere Popularität besitzen, als wirkliche Musiker. Applaus und Daumen in der Luft. Ich stehe auf wehrhaftes Volk und die Macht der Worte.
Belohung dafür ist der neue Song "Replace You" vom kommenden Album "Rescue" im akustischem Gewand, gefolgt vom großartigen "My Heroine", in welchem Shane vom singenden Publikum schließlich abgelöst wird und im Meer aus Gesang untergeht. Ein wirklich schöner Augenblick. Schluss ist dann wirklich mit "Bleeds No More", mit dem SILVERSTEIN nochmal eine Pitspirale aufdrehen. Im elektronisch-ruhigen Mittelteil übernimmt Shane dann Billy Hamiltons Bass, während der tolle Backvocaler das Prügelmic ergreift, in die Menge springt und den Song mit seinem Geschrei astrein beendet. Überraschend gestaltet, das Publikum ist begeistert.
Wenn eine Band wie SILVERSTEIN nach fast fünf Alben immer noch so smart und kumpelhaft und gleichzeitig musikalisch so fit ihre Bühne und ihr Publikum bedient, bleibt sie weiterhin eine der heißesten Empfehlungen im Fahrwasser des Post-Hardcores. Rundes Konzert.
Fotos © BurnYourEars / Fabien Blackwater
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