Entspannte Klänge vom Moonsun zum Einstieg
Die kleine Turbinenhalle ist noch überraschend leer, als das Duo MOONSUN pünktlich um 20 Uhr die Bühne betritt. Nur mit Akustikgitarre und Loopstation untermalt, schlagen Sängerin Susanne Scherer und Gitarrist Thomas Kolbin für den gemeinen Metaller ungewohnt sanfte Töne an, die – gepaart mit dem durchaus energiegeladenen und agilen Auftritt – im ersten Moment für etwas Verwirrung sorgen. Das Publikum taut allerdings schnell auf und leistet den Aufforderungen von "Jugend musiziert"-Gewinnerin Scherer brav Folge.
Neben eigenen Songs wie "Fight And Pray" und "Don't Lie To Me" gibt es obendrauf ein Cover von "Dragonborn" aus dem Videospiel-Klassiker Skyrim, ehe der Auftritt nach einer guten halben Stunde Spielzeit auch schon wieder vorbei ist. MOONSUN sind definitiv keine Metalband, weder im klassischen, noch im erweiterten Sinne, aber bei einem Headliner wie VAN CANTO, der selbst seit jeher auf Genrekonventionen pfeift, funktioniert die Kombination erstaunlich gut.
Evertale – Geradliniger Powermetal zum Wachwerden
Nach einer angenehm kurzen Umbaupause geht es im Anschluss mit EVERTALE weiter. Nach zwei halb verpassten Auftritten bei der 70.000 Tons of Metal und der "Folk Metal Superstars"-Tour mit Korpiklaani und Co. freue ich mich darauf, endlich ein komplettes Set der Offenburger Formation hören zu dürfen. Zwischen Akustikgitarre und A-Cappella ist der Sound zu Beginn des Konzerts leider noch etwas suboptimal abgemischt, fängt sich aber im Laufe des Auftritts und wirkt sich glücklicherweise auch nicht auf die gute Stimmung in der Halle aus. Es ist zwar immer noch unerwartet leer, aber wenn nebenan gleichzeitig die genreähnlichen Briten von SAXON spielen, bleibt ein bisschen Publikumsverlust leider nicht aus.
Nichtsdestotrotz überzeugen EVERTALE auf ganzer Linie, meistern den Balanceakt zwischen episch-melodischen Arrangements und geradlinigen Riffs bravourös. Nach den Zockern bei MOONSUN kommen nun alle Rollenspieler beim Warhammer 40k-inspierierten "Chapter 666" voll auf ihre Kosten und spätestens beim finalen Cover von VAN CANTOs "Take To The Sky" ist eine stimmliche Ähnlichkeit zwischen Sänger Matze Graf und einem gewissen Barden aus Krefeld nicht mehr abzustreiten. Klangfarblich ein bisschen wärmer und vielleicht eine gute Terz tiefer, aber glücklicherweise im Dialog mit dem Publikum auch deutlich sympathischer.
Nach einem insgesamt starken Konzertjahr etablieren sich EVERTALE definitiv als einer der hoffnungsvollsten Vertreter der "New Wave of German Powermetal". Gepaart mit einem sympathischen Auftreten abseits der Bühne sind EVERTALE eine Band, die ab jetzt ihren festen Platz im persönlichen Konzertkalender finden wird.
Van Canto – Die Sieben ist zu Recht eine Glückszahl
Es ist Zeit für den Headliner des Abends. Ganz im Zeichen der Nummer Sieben (die Band umfasst mittlerweile sieben Musiker, hat sieben Studioalben herausgebracht, ist gerade auf ihrer siebten Tour und obendrein bestreitet Neuzugang Hagen in Oberhausen auch noch sein siebtes VAN CANTO-Konzert überhaupt) betritt die Band gegen 22 Uhr die Bühne und meine kurzzeitige Skepsis, ob sich das Bandkonzept nicht doch langsam aber sicher überholt hat, legt sich schnell. Wie eh und je präsentieren VAN CANTO den bunten Mix aus Eigenkompositionen und Coverversionen mit einer Spielfreude … Singfreude ... Begeisterung, die einen als Zuschauer vom ersten Song an mitreißt und zu euphorischen Rakkatakka-Motherfucker-Sprechchören animiert.
Weder die Pause noch der Besetzungswechsel haben der Band geschadet: Rückkehrer Ike Sterzinger ist gefühlt nie weg gewesen und auch bei Leadsänger Hagen Hirschmann hat man nie das Gefühl, nur einen Ersatzmann auf der Bühne zu sehen. Eher im Gegenteil – Hirschmann überzeugt durch stimmlichen Facettenreichtum und ist im Bühnenauftritt etwas subtiler unterwegs als Vorgänger Sly. Insgesamt hat man bei VAN CANTO in neuer Besetzung viel stärker das Gefühl, eine musikalische Einheit auf der Bühne zu sehen und nicht nur zwei Leadsänger, die statt von "richtigen Instrumenten" eben von anderen Sängern begleitet werden.
Egal ob garstig-schottischer Seitenhieb in Richtung SAXON beim Cover von GRAVE DIGGERs Rebellion, dem einzigen deutschen Song "Neuer Wind" oder dem aktuellen "Neverland", bei dem Sängerin Inga Scharf glänzen darf – die Setlist lässt nur wenige Wünsche offen. Wer im Publikum trotz ausgiebiger Rakkatakka-Sprechchöre stimmlich immer noch nicht ausgelastet ist, darf sich beim "The Bard's Song" austoben, bevor es bei "Unholy" und dem HELLOWEEN-Cover "Ride The Sky" noch einmal etwas härter zur Sache geht.
Mit der Gänsehautballade "Heading Home" (meinem Favoriten des aktuellen Albums) wird dann leider schon das Ende des Konzertabends eingeläutet. Apropos "eingeläutet": Eine Zugabe bestehend aus "Hells Bells", bei dem Sänger Hagen noch einmal richtig glänzen darf, und dem obligatorischen Finale aus "The Mission" (dieses Mal ohne "Master Of Puppets"-Zwischenspiel) und "Fear of the Dark" rundet das Set ab und sorgt für einen angemessenen Konzertabschluss.
A-Cappella mit wenig Abnutzungserscheinungen
VAN CANTO waren für mich immer schon eine absolute Liveband. Auf Platte waren die A-cappella-Songs, egal ob selbst geschrieben oder gecovert, immer nett anzuhören und auf jedem Album haben sich ein zwei Perlen versteckt, aber auf Dauer geht der Innovationsfaktor leider doch etwas verloren. Umso schöner, wenn man live dann so positiv überrascht sind. Die Bühnenabstinenz der vergangenen Jahre hat VAN CANTO absolut nicht geschadet: Die Band wirkt noch motivierter als in ihren Anfangstagen und hat gleichzeitig nichts an Sympathiepunkten verloren. Auch wenn statt der kleinen Zeche Carl mittlerweile die (kleine) Turbinenhalle gefüllt wird, zeigt sich die Band weiterhin fannah und nimmt sich sowohl vor, als auch nach dem Auftritt Zeit, um Autogramm- und Fotowünsche zu erfüllen und mit den Fans zu plaudern.
Polarisiert haben VAN CANTO schon immer, aber wer damals an der Band Spaß hatte oder einfach mal Lust auf einen Blick über den eigenen musikalischen Tellerrand hat, der macht auch 2018 bei VAN CANTO nichts falsch.
Setlist Van Canto:
- If I Die in Battle
- To Sing A Metal Song
- Neverland
- Badaboom
- Rebellion (The Clans Are Marching) (Grave Digger Cover)
- To The Mountains
- The Bardcall
- The Bard's Song - In the Forest (Blind Guardian Cover)
- Desert Snake
- Water.Fire.Heaven.Earth
- Unholy
- Ride The Sky (Helloween Cover)
- Neuer Wind
- Heading Home
- Hells Bells (AC/DC Cover)
- The Mission
- Fear Of The Dark (Iron Maiden Cover)