12.11.09 - EUROPE wie GOTTHARD haben mit ihren aktuellen Scheiben "Last Look At Eden" und "Need To Believe" ja ganz gut vorgelegt, und ganz nebenbei ja auch etliche Klassiker am Start, womit eigentlich alles für einen gelungenen Abend angerichtet war.
Eigentlich sollte das Konzert zuerst im gegenüberliegenden, von der Kapazität her fast doppelt so großen Palladium stattfinden, aber kurzfristig wurde der Gig ins E-Werk verlegt, was mir persönlich auch lieber war, denn die Akustik und damit auch die Soundqualität ist meiner Meinung nach im E-Werk besser als im Palladium. Mal ganz davon abgesehen waren die Kartenvorverkäufe wohl auch nicht ganz so prickelnd, und da ist es alleine schon stimmungstechnisch besser, in einem fast vollen E-Werk zu spielen, als in einem halb gefüllten Palladium. Ausverkauft war das E-Werk wohl nicht restlos, aber viele Tickets werden auch nicht übrig geblieben sein.
Pünktlich um 20:00 wurde das Hallenlicht runter gefahren und EUROPE enterten die Bühne mit dem Titelsong des aktuellen Albums „Last Look At Eden“. Der Sound war zwar klar, aber für meine Begriffe etwas zu leise, was sich auch im weiteren Verlauf des Gigs der Schweden nicht änderte. Joey Tempest war gut bei Stimme, schien aber spätesten bei „Superstitious“ etwas verwundert zu sein, dass vom Publikum so gut wie keine Resonanzen kamen. Ich meine, man kann EUROPE lieben oder hassen, aber man kann ihnen nicht vorwerfen, dass sie sich nicht reingehängt hätten. Vielleicht hing den ganzen Pappnasen in Köln der 11.11. (Karnevalsanfang, für alle Nicht-Jecken) noch in den Knochen, aber ich fand es selber etwas seltsam, dass es gerade Mal zwischen den Songs für höflichen Beifall reichte.
Dabei haben Titel wie „Let The Good Times Rock“, „Start From The Dark“, “Seventh Sign” und “Superstitious” wirklich amtlich gerockt, und mit John Norum hat die Band einen Gitarristen am Start, der alleine mit seiner Technik und seinem Feeling, das er in die Soli legt, ein Publikum mitreißen und begeistern kann. Aber irgendwie wollte der Funke an diesem Abend nicht aufs Publikum überspringen. Trotzdem hängten sich die Musiker bis zum Schluss voll rein, und vor allem Joey gab nie auf, die Fans im E-Werk doch noch auf seine Seite zu ziehen.
Auch nachdem die Band mit „Rock The Night“ die Bühne verließ, hielten sich die Rufe nach einer Zugabe arg in Grenzen. Die kam natürlich trotzdem, zuerst in Form des wirklich starken „The Beast“ vom neuen Album, wobei ich mich frage, warum dieser Song nicht schon im ersten Teil der Show zum Zuge kam.
Wirklich lauter Beifall brandete dann wie zu erwarten nur bei dem meiner Meinung nach schlechtesten und überbewertetsten EUROPE Song überhaupt auf, nämlich „The Final Countdown“. Da stellt sich dann tatsächlich die Frage, ob so ein Jahrhundert-Hit für eine Band dann eher einen Segen oder einen Fluch darstellt.
Mir hat der Gig aber trotzdem gut gefallen, und ich denke, die Band hätte schon etwas mehr Begeisterung vom Publikum verdient. Wenn man sich aber umschaute, war der Großteil der Fans aber sowieso mit Gotthard-Merchandise ausgestatten, und so blieb für EUROPE wirklich nur die Rolle der Support-Band über.
Die Umbaupause ging relativ schnell vorbei, denn bereits 25 Minuten nach dem letzten Akkord von EUROPE wurde es für den Headliner GOTTHARD dunkel. Und dem Lärmpegel nach zu urteilen bestätigte sich spätestens jetzt, dass die meisten der Anwesenden nur wegen den Schweizern angereist war.
Mit dem Song „Unspoken Words“ vom aktuellen Album und einem glasklaren - und im Vergleich zu EUROPE erheblich lauteren - Sound legten die Eidgenossen einen perfekten Start hin. Die Backline wurde von vier riesigen LED-Monitoren überragt, auf denen zuerst der Bandname und später auch stimmungsvolle, zu den Songs passende Grafiken dargestellt wurden.
Als GOTTHARD groß wurden, sagte man Sänger Steve Lee nach, er wäre ein zweiter David Coverdale. Mittlerweile, und etliche live gesehene WHITESNAKE Konzerte später, muss ich feststellen, dass er den guten, alten Dave stimmlich aber mal locker in Tasche steckt. Nach „Gone Too Far“ und „Top Of The World“ hatte sich Band offensichtlich warm gespielt, und von der Bühne übertrug die unglaubliche Spielfreude eine Welle der Begeisterung aufs Publikum. Nur bei den Mitsing-Passagen schwächelten die Kölner ein wenig, was meine Pappnasen-Theorie offensichtlich bestätigte.
Das schien Steve Lee aber ganz und gar nicht zu stören, denn in gewohnt souveräner Manier spielten sich GOTTHARD mit „Sister Moon“, „Need To Believe“ und dem DEEP PURPLE Coversong „Hush“, der aus der Live Setlist mittlerweile nicht mehr weg zu denken ist, durch ihr Programm. Gitarrist Freddy Scherer durfte dann mit einem gelungen Solo auftrumpfen, bevor außer Leo Leoni und Steve Lee der Rest der Band die Bühne verlassen musste.
Zwei Barhocker wurden ans Ende des Laufsteges, der ins Publikum ragte, aufgestellt, und es folgte eine Art „Human Acustic Jukebox“, wie Steve es nannte, bei der er nur durch die Akustikgitarre von Leo begeleitet alle Songs anspielte, die ihm vom Publikum aus zugerufen oder auf Zetteln aufgeschrieben zugereicht wurden. Dazu hatte die Band auf ihrer Homepage aufgerufen, und tatsächlich hatten etliche Fans solche Zettel vorbereitet.
Logisch, dass es sich dabei um die Balladenphase der Band handelte, mit der sie seinerzeit zwar bei den bügelnden Hausfrauen punkten konnten, bei den Hard Rock Fans aber eher an Boden verloren hatten. „Angel“, „Heaven“, „In The Name“ und „One Live, One Soul“ wurden angespielt und kamen auch gut beim Publikum an. Für mich war das aber etwas zu lang, da ich die Band eben eher wegen ihrer härteren Songs mag.
„Shangri La“, der Opener des aktuellen Albums, sorgte dann wieder für Dampf in der Hütte und uferte in einem Drum Solo von Hena Habegger aus. Das dachten zumindest alle.
Aber während er sein Drumkit bearbeitete, wurde hinter den Rücken der Fans mittels Rampe ein zweites Schlagzeug aufgestellt, hinter dem Sänger Steve Lee Platz nahm, um sich ein geiles Drum-Duell mit Hena zu liefern. Der Mann ist also nicht nur ein fantastischer Sänger, er kann auch ganz passabel Schlagzeug spielen. Eine nette Showeinlage, wobei natürlich letztendlich Hena das Duell locker für sich entscheiden konnte. Um Steve die Möglichkeit zu geben, wieder zur Mainstage zurück zu kehren, durfte Keyboarder Nicolo Fragile ein kurzes Solo zum Besten geben.
„All We Are“, „I Don’t Mind“, “The Oscar Goes To…” und “Lift You Up” zeigten dann wieder das härtere Gesicht von GOTTHARD und beendeten den offiziellen Teil der Show. Logisch, dass die Band auch ohne die lauten „Zugabe, Zugabe!“-Rufe noch mal zurückgekommen wäre.
Der Zugabenteil bestand dann aus dem wirklich genialen „Mountain Mama“, bei dem Leo seine Voice Box benutzte und dabei wie gewohnt ein Gesicht zog, als würde er an einer Zitrone lutschen, sowie dem Stampfer „Anytime, Anywhere", der einen sehr gelungenen, äußerst professionellen, stimmungsvollen und fast zwei Stunden andauernden Gig standesgemäß abschloss.
Fazit: EUROPE waren gut, fanden aber leider keine Bindung zum Publikum und schafften es auch nicht, die Leute während ihres Gigs auf ihre Seite zu ziehen. Trotzdem für mich ein gelungener Auftritt, auch wenn ich vielleicht mit der Meinung ziemlich alleine da stehe.
GOTTHARD werden immer mehr zu einem Garant für eine tolle Show. Ich hab die Band jetzt schon ziemlich oft live gesehen, bin aber jedes Mal der Meinung, dass sie sich erneut gesteigert haben. Wer ein geiles Hard Rock Konzert sehen will, kann sich mittlerweile blind eine Karte für GOTTHARD kaufen. Allerdings kommt hier auch der einzige Wermutstropfen, denn fast 50€ für das Ticket finde ich dann doch etwas übertrieben. Dafür waren die Shirtpreise mit 20€ ok, allerdings nicht sonderlich einfallsreich gestaltet und von der Auswahl her auch recht übersichtlich. Sei’s drum, der Abend hat sich gelohnt, und alle die, die Spätdienst hatten und/oder durch familiäre Gründe abgehalten wurden, sollte sich schon etwas ärgern. Aber das nächste Album inklusive Tour kommt bestimmt.
Setlist EUROPE (20:00 – 21:15):
Last Look At Eden
Superstitious
Love Is Not The Enemy
Sign Of The Times
No Stone Unturned
Carrie
New Love In Town
Let The Good Times Rock
Start From The Dark
Solo John Norum
Seventh Sign
Cherokee
Rock The Night
---
The Beast
Final Countdown
Setlist GOTTHARD (21:40 – 23:30):
Unspoken Words
Gone Too Far
Top Of The World
Need To Believe
Sister Moon
Hush
I Know, You Know
Right From Wrong
Solo Freddy Scherer
Acustic Set:
Angel
Heaven
In The Name
One Live, One Soul
Shangri La
Drum Solo Henna und Steve
Keyboard Solo
All We Are
I Don’t Mind
The Oscar Goes To…
Lift You Up
---
Mountain Mama
Anytime Anywhere
Fotos (c) by Marc Schneiders
Bildergalerie
View the embedded image gallery online at:
https://www.burnyourears.de/live/8049-gotthard-europe-k%C3%B6ln-e-werk.html#sigProIdd8b6e48abd
https://www.burnyourears.de/live/8049-gotthard-europe-k%C3%B6ln-e-werk.html#sigProIdd8b6e48abd
Dirk
Musik: Hard Rock, Heavy Metal, Power Metal, Blues
Bands: Thin Lizzy, Gary Moore, Dio, Savatage, Bloodbound, Y&T, Edguy, Iron Maiden, Judas Priest, W.A.S.P.
Aktueller Dauerrotierer: Herman Frank - The Devil Rides Out