Geschrieben von Simon Mittwoch, 11 Oktober 2006 17:58
Hell On Earth Tour 2006 - Flensburg / Roxy Concerts
30.09.2006 - Auf Grund von sagen wir... technischen Schwierigkeiten, auf die ich näher nicht eingehen will, verzögerte sich die Abfahrt in Richtung deutsch-dänischer Grenze um eine Stunde. Gut gelaunt standen sich so meine Begleiter und ich an einer Tankstelle in Hamburg-Altona an diesem sonnigen Samstag-Nachmittag die Beine in den Bauch. Der Kfz-Techniker verabschiedete sich mit einem Haufen Geld und unserem Problem, und wir machten uns auf in Richtung Norden. In Flensburg warteten wir nach einer reibungslosen Fahrt wenig später auch schon in dem in einem Gewerbegebiet gelegenen Club auf den Anpfiff des Heall On Earth-Abends.
Einigermaßen pünktlich begannen die abstinenten Norweger auch schon ihr zeitgemäßes Gebräu über die noch wenig zahlreich erschienenen Besucher zu kippen. Da es mir im nahen Ausland gelegenen Colmar vor nicht allzu langer Zeit leider verwährt wurde, PURIFIED IN BLOOD in aller Länge zu verfolgen, freute ich mich riesig auf ihren Auftritt.
Engagiert und voller Spielfreude fetzten die Sechs auf der Bühne umher. Das Faible für Achtziger-Jahre-Bands machte sich sowohl in den verwaschenen Bandshirts, die die überwiegend reichlich tätowierte Band trug, als auch in einem improvisierten IRON MAIDEN-Intro bemerkbar. Musikalisch bewegten sie sich auf den ersten Eindruck hin zwar schon in dem oft belächelten Einheitsbrei, doch besonders die zwei Schreihälse und die unglaubliche Bühnenpräsenz, sowie die interessant und innovativ gebastelten Songs überzeugten mich. Ernüchternde fünfundzwanzig Minuten später war der Spaß auch schon vorbei, und ich erinnerte mich schmerzhaft an den Hauptgrund, warum ich diese riesigen Band-Pakete eigentlich nicht besonders mag. Mehr davon bitte das nächste Mal!
Nun mussten A PERFECT MURDER in den Ring. Ein Freund von mir schwärmt für diese Band, und ich erhoffte mir eine so schnörkellose Unterhaltung, wie er sie mir versprochen hatte. Obwohl die Resonanz bei der ersten Band des Abends meiner Meinung nach bereits viel besser hätte sein können, erreichte die Stimmung nun ein Tief. Der Großteil der Besucher saß entweder in der Ecke und schlürfte Getränke oder stand vor dem Gebäude herum. Teilweise war das sogar berechtigt, denn sieht man von zwei, drei eingängigen Songs ab, war der Auftritt eher dürftig. Solider Südstaaten-Altmetal, den man in vielfacher Ausfertigung schon über sich ergehen lassen durfte, wurde zwar ab und an mit ansatzweise erfrischenden und auch nicht ausnahmslos schlechten Ansätzen gepaart, doch überzeugen konnte das nicht. Möglicherweise verschwanden die Nordamerikaner auch einfach in dem Schatten der Norweger, die zuvor eine solch gute Leistung präsentiert hatten. Nicht besonders überwältigt machten wir uns auf den Weg an die frische Luft, nachdem erneut nicht mehr als eine knappe halbe Stunde vergangen war.
Ähnlich neutral wie ihr Heimatland waren meine Erwartungen an CATARACT. Die Schweizer durfte ich letzten Sommer zwar bereits schon einmal erleben, doch damals war ich nicht unbedingt angetan von der Band, da sich nach wenigen Songs eine gähnende Routine breit machte. Anderseits war das, was ich von ihnen danach aus dem Studio hören durfte nicht unbedingt so langweilig, wie ich die besagte Show in Erinnerung hatte. Seltsamerweise war das Erste, was mir dieses Mal auffiel, ein Kranz breiter Schweißränder, der über das ganze T-Shirt des Sängers verteilt war, als dieser auf die Bühne stapfte. Das stumpfe Geballere bestach auch dieses Mal weniger mit Abwechselungsreichtum oder Innovation, sondern vielmehr durch Druck und Lautstärke. Ganz so öde, wie ich die Songs in Erinnerung hatte, waren sie auch nicht, und obwohl bei den Arrangements ein klassisch geschulter Musiker aller Wahrscheinlichkeit nach die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hätte, wurde ich von dem Gehämmer einigermaßen gut unterhalten. Das Publikum sah das ähnlich, und obwohl die Reihen immer noch nicht prall gefüllt waren, so war jedenfalls ein wenig Bewegung im Spiel. Als Höhepunkte ihres Auftritts sind wohl "Nothing's Left" und "As We Speak" zu nennen. Auch diese Band verabschiedete sich abrupt, nach etwa einer halben Stunde und erneut ohne Zugabe.
Als massenkompatibelste Band des Abends traten nun GOD FORBID auf den Plan. Der Stil der Amerikaner war sehr melodisch und eingängig, was nicht unbedingt jedem der Angereisten gefiel. In ihrer Heimat haben sie sich zwar bereits eine solide Gefolgschaft erspielt, doch hatten sie in diesem Gespann einen schweren Stand. Das Publikum zeigte sich fair und feierte die im Vergleich zu dem sonstigen Aufgebot schon fast kunterbunten Songs. Insgesamt zwar eine runde Sache, doch leider ging die manchmal an meinem musikalischen Nerv vorbei. Unterhalten war ich zwar auch, aber mitreißen konnten sie mich nicht , und so verging die halbe Stunde Spielzeit zwar angenehm flott und relativ ereignislos, aber frei von irgendwelchen Höhe- oder Tiefpunkten.
MAROON waren zweifelsohne der heimliche Headliner an diesem Abend. Die Luft war gut vorgewärmt und die Leute scharten sich nun einigermaßen zahlreich um die Bühne, wobei das Haus immer noch nicht voll war. Dank unangenehmen Soundüberfällen, die sich bereits durch den ganzen Abend zogen, pfiff ihre Einleitung "24 Hour Hate" noch mehr, als ich eigentlich erwartete. Diese äußerten sich ungewöhnlicherweise nicht in einem Quietschen, sondern darin, dass die rechte Box einfach ab und zu für ein paar Sekunden etwa doppelt so laut tönte und regelmäßig für ein Zucken in der Menge sorgte. "And If I Lose, Welcome Annohilation" folgte nahtlos, und die Nordhausener zermalmten die Luft, die man hätte schneiden können, mit ihren überwiegend aktuell gewählten Songs. Diejenigen, denen das schon zu eingängig war, wurden mit "Göttterdämerung", "The Worlds Havoc" oder "Endorsed By Hate" bestens bedient. Der Sänger des veganen Quintetts stand bald auch nur noch in Hose - und kurz darauf lediglich in Boxershorts - auf der Bühne und krächzte wütend die meist ethisch orientierten Texte, während das Ganze mit einem Fundament aus steinharten Gitarren und doppelläufigem Dauerfeuer aus der Rhythmusfraktion untermauert wurde. Ironischerweise hing rings um die Bühne Bier-Werbung, während die Band auf ihren T-Shirts die militante Enthaltsamkeit propagierte. Als sie "Annuar Eclipse" ankündigten, war ich sehr gespannt, wie sich die auf der Aufnahme deplaziert wirkenden Clean-Parts denn live machen würden. Ich bedauerte es aber nicht wirklich, als die Passage einfach auch gebrüllt wurde. Dass unsere RTL-Shootingstars nur unwesentlich später als die Vorbands ans Aufhören dachten, stimmte mich aber schon etwas enttäuscht. Gerade einmal eine dreiviertel Stunde dauerte das Inferno.
Kurze Spielzeiten hin oder her, HEAVEN SHALL BURN hatten ja noch nicht angefangen. Die Thüringer entfesselten einen Sturm, der dem teilweise bereits ermatteten Publikum den Boden unter den Füßen wegriss. Für die wahrscheinlich wenigen Leser, die sich unter dem Namen der Band kein klangliches Bild zusammenreimen können, sei ihre Musik als die nahezu ultimative Ausdrucksform von aggressiver Gesellschaftskritik, gepaart mit einem rhythmischen Dampfhammer beschrieben. Gerecht wird das dem musikalischen Spektrum und Können zwar nicht, aber meiner Meinung nach kommt man bei dieser Ausnahme-Band um eine Hörprobe ohnehin kaum herum. Aus dem aktuellen Album wurde außer dem besonders erwähnenswerten Brett "Counterweight" nicht viel gespielt. Der Fokus lag viel mehr auf den älteren Sachen, die dank des nun einwandfreien Sounds extrem gut rüber kamen.
So gaben sich "To Inherit The Guilt", "Behind A Wall Of Silence" und "No One Will Shed A Tear" zu meiner Freude die Klinke in die Hand. Das Publikum war zwar erschöpft aber ebenso angetan von dem kompromisslosen Zauber, und nach einer epischen Einleitung vom Band erreichte der Auftritt - ja, wenn nicht gar der Abend - bei "The Weapon They Fear" seinen Höhepunkt. Enttäuschend kurze fünfundvierzig Minuten später entschuldigte sich zwar ihr Sänger bei den ganzen Hamburgern für das Ausfallen des Termins in der Hansestadt, der eigentlich ein paar Tage später als der in Flensburg angesetzt war, spielte aber auch nach dem letzten Song keine Verlängerung. Nun mag man ja zu Recht behaupten, dass man bei sechs Gruppen keine neunzig Minuten Spielzeit pro Band erwarten kann, aber dass es sich zum Ende hin etwas weniger gedrängt abspielt, finde ich schon wichtig. Unter tosendem, verdientem und anhaltendem Beifall zogen sie sich zurück und hinterließen ein durchgeschwitztes und nahezu ausnahmslos glückliches Publikum.
Fazit: Alles in allem ein schöner Abend. Leider waren die Spielzeiten nicht immer angemessen, und ein paar Leute hätten auch noch reingepasst. Trotzdem eine runde Sache!
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