Starke Melodien und harte Riffs
„It doesn’t make it any less real once you feel it“ – mit diesen ausdrucksstarken Worten eröffnen DARK TRANQUILLITY ihren zwölften Longplayer „Moment“. Der Opener prescht sofort voran und bereitet den Hörer auf die kommenden 50 Minuten puren Göteborger Melodeaths vor.
Schon in den ersten vier Minuten wird klar, auf „Moment“ wurde beim Songschreiben auf den melodischen Teil der Genrebeschreibung besonderen Wert gelegt. Natürlich ohne dabei den tödlicheren Teil stiefmütterlich zu behandeln. Gesangs- und Gitarrenparts sind perfekt aufeinander abgestimmt und gehen sofort ins Ohr, wo sie auch bleiben.
Mit „Transient“ folgt ein Song, der ohne Zweifel zu den Highlights des Albums zählt. Etwas gediegen beginnend entwickelt sich der Song über seine vierminütige Spielzeit zu einem Feuerwerk aus Tempowechseln und einem starken Gitarrensolo. Das Ganze wird untermalt von Stannes melodischen Growls und einem eingängigen Refrain.
Die zweite Singleauskopplung „Identical To None“ taucht mal kurz mit einem Fuß in den Raum des Black Metals ein. Der Gesang wird monotoner und die Gitarren übernehmen die eher düster gehaltene Melodie. Ein Schachzug, der für DARK TRANQUILLITY nicht unbedingt neu aber doch eher ungewöhnlich ist, den Hörer aber definitiv bei der Stange hält.
Der nun folgende musikalische Umbruch geht zunächst in Richtung ihres für einen „Grammis“ (die schwedische Version des Grammy) nominierten Erfolgsalbums „Atoma“. „The Dark Unbroken“ überrascht spätestens im Refrain, wenn Mikael Stannes brillanter Klargesang hervortritt und wohl kaum jemanden komplett kalt lassen kann.
Für Fans des Sängers ist jedoch spätestens bei „Remain In The Unknown“ klar, dass irgendwann während der 12 Tracks mindestens eine Träne geflossen sein wird. Der überwiegend clean gesungene Track mit Balladencharakter balanciert gekonnt zwischen Schönheit und Pathos, ohne in den Kitsch abzudriften.
Allgemein bedienen sich die Göteborger auf „Moment“ des Öfteren der Kombination aus Stannes melodischen Growls und seinem tiefen klaren Bariton, der sich seit „Atoma“ um einiges weiterentwickelt hat. Ein erneut eher ruhig gehaltener Song mit dafür umso beeindruckenderem Gitarrensolo. Diese weitere Konstante zieht sich ebenso durch das Album und zeugt davon, wie gut die beiden „Neuen“ an den Sechssaitern, Johan Reinholdz und Chris Amott, zu DARK TRANQUILLITY passen.
"The path that we take is where it leads us" – Mikael Stanne
In der zweiten Albumhälfte ziehen die Schweden das Tempo etwas an und stellen mit „Ego Deception“ das Keyboard erstmals deutlich in den Vordergrund. Ab diesem „Moment“ nimmt das Album deutlich an Härte und Brutalität zu, die in einem schon fast doomigen „A Drawn Out Exit“ gipfeln. Die bedrohlichen Riffs kombiniert mit Stannes Growls verleihen dem Song eine noch düsterere Ebene und machen ihn damit trotz melodischer Bridge und Solo zum bedrückendsten Song des Albums.
„Eyes Of The World“ hingegen, der stilistisch auch auf „Atoma“ seinen Platz gefunden hätte, beweist auf eindrucksvolle Weise erneut, dass DARK TRANQUILLITY es einfach drauf haben, vielschichtige Songs mit eingängigen Refrains zu schreiben. Eine Qualität, die auf „Moment“ so deutlich wird wie schon lange nicht mehr. Mit „Failstate“ wird es noch einmal heavier und düster mit starkem Headbangpotential, so wie man es von DARK TRANQUILLITY kennt und liebt.
Auf den letzten Metern wird „Moment“ zunächst noch einmal schwer und laut. „Empires Lost To Time“ kommt zwar ungewöhnlich folkig daher, verleitet aber mindestens genauso zum Haareschütteln wie sein Vorgänger.
Wer jetzt einen Rausschmeißer wie auf „Atoma“ erwartet, liegt leider falsch. Denn mit „In Truth Devided“ wird es nochmal sehr ruhig und nachdenklich. Man könnte beinahe meinen, DARK TRANQUILLITY hätten sich ihren Bandnamen zum Vorbild genommen, einen Song zu schreiben und nach dem Prinzip „DARK TRANQUILLITY meets DEPECHE MODE“ geht „Moment“ gediegen zu Ende. Auch wenn „In Truth Devided“ eher Geschmackssache ist (den der Redakteurin trifft er), bildet der Song einen würdigen Abschluss für ein neues Kapitel DARK TRANQUILLITY.
Fazit
Nach der Nachricht, dass Gründungsmitglied Niklas Sundin die Band verlässt und DARK TRANQUILLITY ihr neues Album mit gleich zwei neuen Gitarristen schreiben, waren viele Fans erstmal skeptisch, ob die Schweden an ihren Erfolg von „Atoma“ aus dem Jahr 2016 anknüpfen können. Oder ob die Göteborger nach 31 Jahren das Zepter an die jüngere Generation weiterreichen müssen.
Doch wenn DARK TRANQUILLITY eines nicht tun, dann ist es, ihre Fans zu enttäuschen. Das Album zeichnet sich durch einen glasklaren Sound, detailliertes Songwriting und eine abwechslungsreiche Mischung aus ruhigen, düsteren und schnellen Songs aus. Mit voller Manpower und neuer kreativer Energie ist mit „Moment“ ein Album zustande gekommen, welches sowohl Fans des alten Sounds als auch jene, die mit „Atoma“ zur Band gefunden haben, begeistern kann.
Die beiden Bonustracks der Digipack Edition lagen nicht zur Review vor.
Songempfehlungen
- Transient
- Remain in the Unknown
- Failstate
Trackliste:
- Phantom Days
- Transient
- Identical to None
- The Dark Unbroken
- Remain in the Unknown
- Standstill
- Ego Deception
- A Drawn Out Exit
- Eyes of the World
- Failstate
- Empires Lost to Time
- In Truth Divided
Bonus tracks on Digipak:
- Silence as a Force
- Time in Relativity
DARK TRANQUILLITY sind:
Mikael Stanne – Vocals
Martin Brandström – Keys, Synth
Chris Amott – Guitar
Johan Reinholdz – Guitar
Anders Iwers – Bass
Anders Jivarp - Drums