Geschrieben von Mittwoch, 01 Oktober 2008 19:38

Area 4 2008 - Der Festivalbericht


 

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Das Area4 Festival 2008 ist vorüber und allerorts liest man, das Festival habe sich bereits nach seinem dritten Stattfinden etabliert. „Stimmt!“ können wir da nur sagen! Wir haben es ja geahnt und sind deshalb wieder zum Flugplatz Borkenberge gepilgert, wie noch etwa 15.000 weitere Rockfans.


Wie bereits im letzten Jahr bieten wir euch zwei Berichte, zwei Sichtweisen, aber nur ein klares Fazit.


Lars:

Vor das Festival haben die Rock-Götter die Arbeit gesetzt, und so musste ich am Freitag gezwungenermaßen gleich fünf Bands links liegen lassen um dann erst bei BAD RELIGION meinen Hintern vor der Bühne zu parken. An diesem passiven Zustand änderte sich auch nichts mehr, denn wenn sich eine der größten Punk-Bands überhaupt vor allem durch Solidität auszeichnet, ist mir das etwas zu wenig, um richtig in Festivalstimmung zu kommen. Andere hatten sichtlich mehr Spaß an ihren Helden.

Aber es folgen ja DIE ÄRZTE, und die sind bekanntlich nicht nur aus Berlin (aus Berlin!), sondern auch noch eine der wohl besten Live-Bands weit und breit. Die Liste der Hits ist auch an diesem Tag wieder schier endlos. Garniert mit launigen Blödeleien spielen BelaFarinRod viele neue Stücke und bringen gegen Ende relativ wenige Mitsing-Klassiker. Manch ein Fan schien darüber etwas enttäuscht zu sein. Oder lag es am etwas leisen Sound, dass die Stimmung nicht ganz so euphorisch war, wie man es bei einem Ärzte-Gig erwartet?

Mein Samstag begann mit SYSTEM OF A DOWN-Frontmann SERJ TANKIAN. Mit seinem Solo-Projekt war ich nicht vertraut, so dass ich mit einer Art Light-Version seiner Hauptband gerechnet hatte. Aber solo war er noch viel exzentrischer: Mit weißem Anzug, Zylinder und theatralischen Gesten setzte er sich vom typischen Rocker-Auftreten ab. Irgendwie schafft der verrückte Kerl es sogar, ein Cover von ABBA’s „Money Money Money“ passend in sein aus Rock, Cabaret und osteuropäischem Folk zusammengesetztes Set zu integrieren. Insgesamt ein gelungener, witziger und wohltuend ungewöhnlicher Auftritt, der von der Band an den richtigen Stellen die nötige Wucht erhielt.

Zeit für einen kurzen Abstecher ins Zelt zu DISCO ENSEMBLE. Da ich die unermüdlich tourenden Finnen bereits bei einem Headliner-Gig gesehen hatte, reichte es mir, die intensive Show in den hinteren Reihen zu erleben.

Auch THE HIVES waren schon alte Bekannte, schließlich sind sie eine von vier diesjährigen Bands, die bereits im letzten Jahr am Flugplatz Borkenberge aufschlugen.

Weil ich mehr Abwechslung wollte, blieb ich direkt im sogenannten Coca Cola Soundwave Tent und freute mich auf BIFFY CLYRO. Zu meiner Überraschung war das Zelt „nur“ zu zwei Dritteln voll. Mit bester Sicht konnte ich einen der besten Auftritte des Festivals sehen. Das Trio variiert nach Belieben zwischen trockenen und vertrackten, aber immer mächtig treibenden Rhythmen und haut mal eben so großartige Melodien raus. Der harte, raue, basslastige Sound bohrt sich ins Ohr und steht der Band viel, viel besser als der etwas zu glatte Sound ihrer neueren Alben. Sie scheinen sich auch wohlzufühlen, so wie sie sich in die fetten Steigerungen reinarbeiten und sie dann schweißtreibend variieren. Dazu ein souverän über alle Lautstärkebereiche hinweg agierender Hauptsänger Simon Neil – und fertig ist ein perfekter Festival-Gig. Großartig!

Am Sonntag war erstmal Ausnüchtern angesagt. Daher waren SCARS ON BROADWAY die erste Band, die ich so richtig mitbekam. Laut waren die, viel lauter als zum Beispiel am Freitag Die Ärzte. Songs wie „World Long Gone“ brettern dann schon ordentlich!

Ab 19 Uhr spielten dann GOGOL BORDELLO. War mir gar nicht klar, dass die Gypsies aus New York den Status eines Insidertipps offenbar längst hinter sich gelassen haben. Jedenfalls war das Publikum zahlreich und tanzte nach kürzester Zeit ausgelassen zu Polka, Ska und Punk. Den mehrere Songs lang bestehenden Circle Pit musste ich leider auslassen, da sich meine Beine immer noch wie Pudding anfühlten. Die Show war so trashig, wie es das Zigeuner-Klischee erfordert: Grelle Kostüme und tanzende Mädchen mit zu leisen Mikrofonen inklusive.

Mein persönlicher Abschluss des Festivals waren APOCALYPTICA. Auf Podesten in Form von totenkopfähnlichen Celli thronten die vier Finnen (plus Drummer) zunächst, bis es zumindest drei von ihnen nicht mehr dort hielt. Mit wildem Gemosche und für mich, der ich die Band noch nicht live erlebt hatte, überraschend witzigen Ansagen hielten sie das Publikum bei bester Laune. Ob da jeder Ton ein Volltreffer ist, interessiert dann niemanden. Für die Single „I Don’t Care“ steuerte Mäthi aus Österreich seinen starken Gesang hinzu, nachdem er sich in einem zuvor dafür ausgerufenen Wettbewerb qualifiziert hatte.

SOULFLY, die für die abgesprungenen SLIPKNOT den Ersatz gaben, sah ich mir dann nicht mehr an, da sie auch schon im letzten Jahr dabei waren. Also kurvte ich gegen Mitternacht mit einigen schönen Erinnerungen im Gepäck über die Landstraßen nach Münster zurück und wartete dann darauf, dass mich der gnadenlose Wecker um 6 Uhr in die "normale" Welt zurückholt.



Kai:

Wie im letzten Jahr auch, zählt das AREA 4-Festival zu den kulturellen Highlights des Jahres – dementsprechend fieberten wir dem Event auch entgegen. Und genau wie im letzten Jahr wurden wir wieder vollkommen überzeugt.

Denn das Drei-Tage-Festival zwischen Dülmen und Lüdinghausen ist so ziemlich das entspannteste Festival, auf dem ich je gewesen bin: die Wege sind kurz und man muss keinerlei große Strecken laufen, die Besucher und die Mitarbeiter sind unfassbar gut gelaunt und stressfrei, und aus irgendeinem Grund verlaufen die drei Tage einfach nur fantastisch. Ja, man kann das hier durchaus als Werbung verstehen, denn „Völker dieser Welt, kommt zu diesem Festival!“! Auch wenn nicht alle Bands auf dem Line-Up für mich persönlich die Reißer waren, hat das ganze Erlebnis AREA 4 einfach nur tierisch Bock gemacht. Und so habe ich euch ein paar Impressionen mitgebracht:

Das Festival begann für mich erst am Samstag, dafür aber mit mit alten Bekannten. PENNYWISE gehörten zu den ersten Punkbands, die mich damals richtig begeisterten. Und da ich wusste, dass sie live längst nicht so ausgelutscht sind, wie sie in der Retrospektive auf Tonträgern klingen, war das ein ganz guter Einstand. Und obwohl sie am Anfang etwas Probleme zu haben schienen, so wirklich in Gang zu kommen, entwickelte sich der Auftritt doch zu einem richtig spaßigen Konzert. Vor allem, weil auch alte Songs gespielt wurden (z.B. der Song, der ihnen den Namen gab). Aber auch „Blitzkrieg Bop“ von den RAMONES wurde zum Besten gegeben. Die ganzen „Bro Hymn, Bro Hymn“-Rufe wurden zwar registriert, aber immer damit beantwortet, dass die Band ja sowieso nicht von der Bühne gehen würde, ohne besagtes Stück zu spielen. Und so wurde das bereits in Feierlaune versetzte Publikum natürlich noch zum Abschluss mit einer großen Runde „Wooohohoho Wohohohoho“ belohnt. Zwar waren sie an diesem Tag nicht immer ganz so tight, wie ich sie in Erinnerung hatte, aber trotzdem war das ein guter Einheizer für den zweiten Festivaltag.

Als nächstes ging es ab ins Zelt zur kleineren Bühne, um mal ein Konzert in etwas intimerer Atmosphäre zu genießen – allerdings hatte ich schon ein paar mehr Zuschauer erwartet, denn so unbekannt sind GHOST OF TOM JOAD ja mittlerweile auch nicht mehr, und außerdem so etwas wie die Lokalmatadore des Festivals. Ok, alleine war ich nicht gerade, aber im Gegensatz zu den Zuschauern, die vor der großen Bühne standen, war das dann doch noch ein wenig kleiner. Aber egal, der Gig war gut. Zwar wirkten sie etwas bemüht, das Eis zu brechen und ihr eigenes Ding durchzuziehen, aber das tat der Energie ihrer Songs keinen Abbruch. Und das Trio prügelte sich teilweise ganz ordentlich durch ihre Prä-Punk/Indi-Songs. Wie gesagt, einige der Ansagen könnten sie ein wenig in die „Du, sag mal, du….“-Ecke stellen, aber das wird hier niemanden stören. TGOTJ demonstrierten, dass sie vollkommen zu recht auf so einem großen Festival spielen – wäre schön, wenn beim nächsten Mal auch das Publikum von der Quantität her mitspielen würde.

Mit MILLENCOLIN standen nun mal wieder alte Bekannte auf der Bühne – im Endeffekt verhielt es sich da genau wie bei PENNYWISE: früher vergöttert, dann seit langem nicht mehr wirklich interessant. Leider habe ich hier einige Bekannte getroffen, und somit liefen die Schweden für mich trotz Bühnennähe eher im Hintergrund, aber ehrlich gesagt war das gar kein schlechter Soundtrack. Vor allem weil hier einige Stücke liefen, die einige der Leute mit mir verbunden haben. „Mr. Clean“ z.B. ist durchaus eine Hymne der 90er für mich, und so ließ es sich wunderbar feiern. Aber auch neue Knaller wie „Detox“ mit ihrer unbekümmerten guten Laune trugen zu einer exzellenten Stimmung bei. Außerdem sah man den Schweden an, dass sie ihre Rolle als einer der Headliner gut ausfüllten. Da haben wohl außer mir noch ein paar andere Zuschauer in den 90er Jahren MelodyCore gehört…

THE BLACKOUT aus England waren eine der Bands des Samstages für mich, und daher fand ich es sehr schade, dass sie früh spielten. Mit „Band des Tages“ meine ich eine der Bands, die ich auf jeden Fall sehe wollte. Denn ob sie so gut waren, wie ich mir das gewünscht hatte, kann ich leider nicht bewerten. Denn natürlich genau dann kam der Shuttlebus einfach mal eine Fuhre zu spät, und bei einer Spielzeit von ungefähr einer halben Stunde war das leider der Todesstoß für mich. So kam ich grade noch zu den letzten drei Stücken an und sah zuerst ein Medley aus diversen Metal- und Indie-Klassikern. Von RAGE AGAINST THE MACHINE bis hin zu PANTERRA, die immer nur kurz angespielt und direkt mit dem nächsten Zitat verbunden wurden. Coole Idee! Hätte ich gerne in Ruhe sehen mögen.
Dafür kamen danach aber noch die beiden besten Stücke ihrer ersten EP, welche ich auch für das beste Release bis jetzt von dieser Screamo-Band halte. Zuerst also ein absolut festivaltauglicher Stadionpopsong, wie ihn THE USED nicht hätten besser machen können. Und siehe da „It's High Tide Baby" kam auch dementsprechend an. Und zum Abschluss gab es dann mit „I'm A Riot? You're A Fucking Riot!“ auch noch den absoluten Überhit der Band, auf welchen ich mich bereits seit dem Wachwerden gefreut hatte. Die Band war in herrlicher Spiellaune und nahm sich selbst nicht sonderlich ernst – so bescheuert wie einer der Sänger mit seiner Über-Emo-Frise auch aussah, war das mit Sicherheit auch die beste Taktik, und so jagten sie sich über die Bühne, traten sich gegenseitig in den Hintern oder leckten sich gegenseitig die Glatze ab. Die letzten Töne gehörten dann aber wieder einem Klassiker, und so wurde ihr Set mit einem Moshpart von MACHINE HEAD beendet: „Let Freedom Ring With A Shotgun-Blast!“. Was für ein Abgang!

Jetzt kommt leider die Enttäuschung des Festivals für mich. Allerdings lag das weniger an der Band als vermutlich viel mehr am Mischer. Denn der Sound, der die erste Hälfte des DREDG-Gigs begleitete, war einfach unterirdisch schlecht. Es war soviel Bass im Sound, dass ich ohne hinzusehen die Gitarre gar nicht hätte erahnen können. Es dröhnte einfach nur unglaublich unangenehm laut und kleisterte damit die Ohren vollkommen zu. Und das bei einer Band, die ja eher sehr filigrane Musik macht und die unbedingt Wert auf die Erzeugung einer bestimmten Stimmung legt. Und die kam mal leider so überhaupt nicht rüber. Der Sänger hatte auch mit seinem Sampler (oder so etwas ähnlichem) und mit der Technik an und für sich große Probleme – vielleicht trifft den Mischer ja im Endeffekt gar keine Schuld, wer weiß. Aber viele der Kleinigkeiten gingen einfach mit fliegenden Fahnen unter. Ich kann mich da lediglich an das doch etwas nervige Kinder-Lachen-Sample erinnern. Nach ca. 20 Minuten hatte ich den Kaffee aber so was von auf, dass ich wieder auf das Campinggelände geflüchtet bin: selbst wenn sich der Sound normalisiert hätte, wäre ich definitiv nicht mehr in die richtige Stimmung für eine DREDG-Show gekommen.



Fazit:

Negativ: - Zwei Headliner schon im letzten Jahr dabei


Positiv:
- Gut 15.000 Besucher – für uns die perfekte Festivalgröße: Alles ist übersichtlich, Wucher selten und große / großartige Bands sind garantiert
- Alles war richtig dimensioniert: der Campingplatz, der direkt daneben gelegene Parkplatz, die Anzahl der Sanitäranlagen. Fantastisch wie immer waren die Wartezeiten vor dem eigentlichen Bühnengelände. Der Grund: Sie waren praktisch nicht vorhanden
- Wie auch letztes Jahr geht ein Sonderlob an die außergewöhnlich entspannte Security und die freundlichen Kontrolleure

Soll heißen: Wir kommen wieder! Offizielle Webpräsenz: www.area4.de

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