Offenbach, Stadthalle, 16.03.2012: Die "The Path Of Totality" Tour 2012 von KORN hatte nur zwei exklusive Stationen. Nach Oberhausen wurde Offenbach die große Ehre zuteil, die Kings of Nu Metal mit ihren neuen Songs live zu sehen. Die Spannung war entsprechend groß. Wie werden die neuen Songs rüberkommen? Funktioniert die Symbiose aus Nu Metal und Dubstep auch live?
Die erste Überraschung an diesem Abend war bereits der erste Künstler, der schon zu Gange war, als ich die Halle betrat . Ich dachte, es wäre der gleiche DJ Mensch, der schon bei der letzten Tour die Meute anheizen durfte und war extrem überrascht und erfreut zu sehen, dass Jonathan Davis persönlich die Turntables rockte! Jonathan führte der Menge seine persönlichen Dubstep Lieblingssongs vor und absolvierte gleichzeitig sein Warm-up, inklusive Stretching, was die Menge sichtlich erfreute. So richtig warm sind noch nicht alle mit dem ganz speziellen Dubstep Sound. Wenn dieser vom KORN-Fronter persönlich angepriesen wird, hat das natürlich noch mal einen ganz anderen Touch. Jonathan unterstrich damit, dass er zu 110 Prozent hinter den Dubstep Elementen auf "The Path Of Totality" steht und im Moment extrem davon begeistert ist. Das scheint im Moment so sein Ding zu sein und anscheinend hat er sich die Mission " Dubstep for everyone" auf die Fahnen geschrieben.
Die eigentliche Vorband THE DIRTY YOUTH war meilenweit von Dubstep entfernt. Die rothaarige Fronterin hatte eher etwas von der ganz frühen Gwen Stefani und bot eine rockige Mischung mit leichten Ska Elementen dar. Bei Bands wie KORN hat es eine Vorband sicher nicht nur bei mir schwer. KORN sind eine so beeindruckende, intensive Band, dass es schwer fällt, sich auf etwas anderes einzulassen, wenn gleich "die Band" auf die Bühne kommen soll. Trotzdem ging die Masse vorne ordentlich mit, hüpfte und moshte, was das Zeug hielt.
Gegen 21:15 Uhr war es dann soweit. Die großartigen Könige des Nu Metal betraten die Bühne und machten von Anfang an klar, wer hier die Macht hat. Und vor allem, wer hier im nächsten Jahr schon auf 20 Jahre Musikbusiness zurückblicken kann, ohne den Wagemut und die Kreativität auch nur ansatzweise verloren zu haben.
Die Setlist startete mit einigen Klassiker und ließ vor allem den Moshpit im vorderen Teil von Anfang an richtig brennen. KORN wecken Emotionen und in diesem Fall waren es vor allem die Herzen der Old School Fans, die höher schlugen. "Predictable" machte den Anfang, ging über in "Lies" und dies dann nahtlos über in "No Place to Hide". KORN gab der Masse sofort auf die Zwölf, ohne Umschweife schlugen die Bässe auf uns ein und trümmerten die Meute im Takt mit pervers fetten Drums in die Ekstase. Mein persönliches Old School Highlight war "Good God", der krönende Abschluss und eines der Lieder, die ich in meinem Leben am meisten gehört habe. Beeindruckend, dass Jonathan Davis nicht ein Quentchen an Ausdruck verloren hat über die Jahre. Gemeinsam mit der Masse war die Stimmung bei "Won't you get the fuck out of my face, now...!" schon auf dem Höhepunkt und mir war klar, dass ich am nächsten Tag wohl eher keine Stimme mehr haben werde...
Der zweiten Teil der gestaffelten Setliste war der "The Path Of Totality" Part. Abgesehen davon, dass es ganz gut war, die Songs des neuen Albums gebündelt zu hören, hatte das natürlich auch technische Hintergründe. "Narcissistic Cannibal" machte den Auftakt und Jonathan Davis hatte es nicht nötig, die Menge zum Mitsingen zu animieren. Egal welches Alter, welches Geschlecht, welcher Style... Songs und Texte wie "Narcissistic Cannibal" berührten alle an diesem Abend. Knallharte Typen breiteten die Arme aus, schrien aus Leibeskräften und aus tiefstem Herzen mit herzzerreißenden Gesichtern die Lyrics mit "Sometimes I hate, the life I made, everything's wrong every time...".
Viele machen sich lustig darüber, dass Jonathan noch immer diese Art von Texten singt. Er würde über die Ängste verletzter Teenager singen und sei in dieser Hinsicht etwas stehen geblieben. Absoluter Müll meiner Meinung nach, wer einmal auf einem KORN Konzert die Menschen beobachtet hat, der wird sehen, dass es ganz sicher keine Teenager sind, die sich hier von Text und Inhalt beeindruckt zeigen.
Um die Eingangsfrage zu beantworten: Die neue Platte funktioniert ganz hervorragend auf der Bühne. Bei Rock am Ring im letzten Jahr hatte KORN den Song "Get up" zum ersten Mal live dargeboten. Damals kannten wir das Teil ja noch nicht richtig, aber diesmal in Offenbach war das anders. Jonathan Davis kam mühelos gegen die fetten Beats an, und Ray trommelte wie immer mit richtig ordentlich Bums. Ray Luzier verfügt schon fast über artistisches Talent. Das kann man deutlich sehen, wenn man beobachtet, was er mit dem Drumsticks anstellt. Und das wohlgemerkt, während er trommelt wie ein junger Gott! Den Abschluss der aktuellen Songs machten "Get Up" und "Way Too Far". "Get Up" ist neben "Narcissistic Cannibal" der meist gespielte Song der Platte und kam live auch entsprechend an. Besonders der kranke Dubstep Teil am Ende, bei dem Jonathan Davis extrem steil geht, war live einfach nur der helle Wahnsinn. Dieser Mann transportiert eine unglaubliche Energie, das muss man einfach mal erlebt haben. "Way Too Far" war für mich eine Überraschung, der Song war live wirklich umwerfend und gefiel mir viel besser als auf Platte. Besonders die etwas langsameren Momente im Song überzeugten live und sorgten für Gänsehaut.
Danach ging es über in den Teil der "Klassiker", bei dem für mich und den Großteil der Fans kein Halten mehr war. Die Halle rauchte vor Circle Pits und auch die Temperatur in der Halle erreichte den absoluten Höhepunkt. "Here To Stay" massierte als erster Klassiker unsere Bäuche und ging nahtlos über in "Freak On A Leash", welches mich live immer wieder in eine Art von Trancezustand versetzt. Wer bis dahin noch einigermaßen ruhig bleiben konnte, für den war es dann spätestens mit "Falling Away From Me" zu spät. Nicht nur, dass KORN die absoluten Knallersongs haben und bei einer Setlist eigentlich nie etwas falsch machen können, nein: Die Band geht auch noch jedes Mal selbst sowas von ab, dass man sich nicht vorstellen kann, dass die Band die Songs schon so oft gespielt hat.
Absolutes Highlight einer KORN Show ist auch das PINK FLOYD Cover "Another Brick In The Wall". Der Song ist so schon eine Wucht, aber von KORN dargeboten hat er nochmal eine ganz spezielle Note. Es stank nach Schweiß, es war heiß und es war schlechte Luft, aber in diesem Moment gab es nicht Schöneres, als die Lyrics mitzubrüllen und die Fäuste in die Luft zu strecken. (Kleiner Tipp von mir an die Veranstalter: Fangt mal an, Haargummis zu verkaufen. Ich bin mir sicher, außer mir hätten an diesem Abend noch weitere Mädels bis zu 5 Euro für ein Haargummi bezahlt...)
Da ich wusste, dass es nun zu den Encores geht, ging ich schon mal in Richtung Tribüne, um die Menge von oben beobachten zu können. Jonathan packte den Dudelsack aus und die Menge ging absolut steil. Zu „Shoots And Ladders" rannten die Massen im Kreis und feierten den Song und Jonathan zu Recht frenetisch ab. Der Song ging über in das traumhafte Riff von „One" von METALLICA und selbst die steifesten „Ich bewege mich nicht auf Konzerten"-Typen lassen bei diesem Riff alle Hemmungen fallen.
Zum Abschluss gab es noch „Got The Life" und „Blind", zwei absolute Livemonster, bei denen jeder Fan seine letzten Kräfte mobilisiert. „Blind" ist die absolute Livemacht und fast unschlagbar. Ich kann über diese Songs kaum etwas sagen, da ich gedanklich abwesend und zu hundert Prozent bei den Stücken war.
KORN sind für mich, neben METALLICA, die geilste Liveband, die ich kenne. Ein fettes, krankes, heftiges Tier von einer Band, die mich schon über Jahre berührt und bewegt. Wegen solcher Bands liebe ich Musik! Ohne KORN wäre in meinem Leben einiges anders gelaufen und an diesem Abend habe ich gemerkt, das ging nicht nur mir so!
Fotos © BurnYourEars / Nadine Schmidt
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