Geschrieben von Sonntag, 03 April 2016 21:38

Hell Over Hammaburg 2016 / Markthalle - Hamburg

Es wächst: Die vierte Auflage des HELL OVER HAMMABURG-Festivals ist erstmals auf zwei Tage verteilt. Zusätzlich zum schon bekannten Samstag gibt’s dieses Jahr also schon ab dem frühen Freitagabend was auf die Mütze. Sonst hat sich nichts geändert – und das ist weitestgehend gut so.

Das HELL OVER HAMMABURG ist nach wie vor ein geschmackvoll zusammengestelltes Festival, bei dem die Bands zwar sehr unterschiedlich sind, alle jedoch etwas gemeinsam haben: Sie gelten als Geheimtipp, absoluter Underground-Kult oder als  verdiente, aber nur Kennern bekannte Szene-Veteranen. Und: Alle Bands gehören zu der Sorte, die nicht wöchentlich an jeder Steckdose spielt. Exklusivität ist das Zauberwort, das auch das vierte HELL OVER HAMMABURG zu etwas Besonderem macht.

So starten am Freitag gegen 17 Uhr die US-Metaller ARGUS mit bereits zahlreichen Fans in den Abend. Die Band ist ein guter Opener: Klassischer Metal à la ORDEN OGAN mit schicken Twin-Gitarren, mit Pathos, aber ohne Kitsch – das läuft gut rein und ist genau das Richtige, um warm zu werden. Die Band, allen voran der lauffreudige Basser, ist auch mit Power dabei und gibt sich sichtlich Mühe, die Stimmung anzuheizen. Zur Belohnung gibt es „Argus!“-Sprechchöre zum Abschied.

Die nächste Band zeigt gleich, mit welchem Kontrastprogramm man auf dem HELL OVER HAMMABURG rechnen muss: KÖRGULL THE EXTERMINATOR haben weder Melodien, noch Pathos, noch besonders ausgefeilte Songs. Die Spanier hauen einen Hassbatzen nach dem anderen raus, ungeschliffen punkig, schwarz und rumpelig – stumpf ist Trumpf, und ein bisschen Dilettantismus darf bei solcher Musik dabei sein. Auf Dauer ermüdend, aber eine interessante Erfahrung.

Rumpelnd geht’s weiter mit ARCHGOAT, dem finnischen Black-Metal-Panzer. Mit denen ist nicht zu spaßen: Es reicht, dass der Bassist/Sänger Lord Angelslayer sein Mikro zwei Mal richten muss, da pfeffert er die ganze Konstruktion schon wütend in die Ecke. Zum Glück steht da noch Ersatz herum, sonst hätte sich wohl unverzüglich die Hölle aufgetan.

ARCHGOAT sind besser, als ich erwartet hatte. Der rohe, stumpfe und weitestgehend melodiefreie Black Metal des Trios ist live eine stimmungsvolle Sache, die in stimmungsvolles Licht getaucht wird. Wem KÖRGULL schon zu stumpf war, der ergreift hier wohl endgültig die Flucht, aber die meisten genießen den Auftritt. Zum Schluss packen die Finnen wort- und grußlos ihre Sachen und verschwinden. „Black Metal ist Krieg, Lachen ist christlich“ ruft einer neben mir – das beschreibt ARCHGOAT ziemlich gut.

Der Rest des Abends ist geprägt von alten Bekannten. Chris Black war letztes Jahr schon auf dem HELL OVER HAMMABURG – mit HIGH SPIRITS. Diesmal betritt er mit seiner Band DAWNBRINGER die Bühne, mit der er anlässlich des Festivals das erste Mal nach Europa kommt. Auch mit der Doppelrolle Gesang und Bass steht Chris Black von Anfang an im Mittelpunkt.

Es ist schon erstaunlich, wie sehr dieser schmächtige Mann mit dem praktischen Haarschnitt das Publikum in seinen Bann zieht. Er beginnt den Auftritt mit dem Gruß „We are Dawnbringer and we play heavy metal!“ – ein schöner Tribut an den unersetzlichen Lemmy und eine passende Eigenbeschreibung. Im Gegensatz zu HIGH SPIRITS regiert hier das Riff, nicht die Melodie. DAWNBRINGER sind gut, aber schwer greifbar, vielleicht liegt es daran, dass das Publikum nicht so krass steil geht wie 2015. Eine tolle Show ist es trotzdem. (Helge)

Auch SULPHUR AEON waren bereits auf dem HELL OVER HAMMABURG. Das widerspricht ein wenig der ungeschriebenen Regel, dass es keine Wiederholung geben soll, aber die Band hat den Headliner-Slot am Freitag definitiv verdient: SULPHUR AEON reißen zum Abschluss des Abends so richtig die Hütte ab.

Nachdem das letztjährige Über-Album „Gateway To The Antisphere“ eingeschlagen hat wie die sprichwörtliche Bombe, will sich kaum jemand die Deutsche Death-Metal-Walze entgehen lassen und so ist die große Halle gut gefüllt. Die Bühne ist in dezentes Licht getaucht, von den Musikern selbst erkennt man nicht viel. Auch Ansagen bleiben aus, doch die Musik spricht für sich: Die fiesen, erhabenen Melodien, die grollenden Vocals, das exzellente Drumming oder die Walz-Riffs, bei denen jeder Nacken in der Halle ins Zucken gerät: SULPHUR AEON wissen über die volle Spielzeit zu begeistern, die einem bei den tollen Songs viel zu kurz vorkommt. Ganz groß! (Tamino)

Auch wenn der ein oder andere Freitagabend wohl lang und feuchtfröhlich war, sehen die meisten der zahlreichen Gäste auch am Samstag frisch aus – und das Bier schmeckt auch schon wieder. HEAT aus Berlin sind die perfekte Band,  um sich wieder einzugrooven. Eine geile Mischung aus DEEP PURPLE-beeinflusstem Heavy Rock und den Melodien des Früh-80er-Metal, die die Jungs auch optisch authentisch rüberbringen. Der Sänger macht den Ozzy, klammert sich bangend an den Mikroständer und bringt ein paar sympathisch verkackte Ansagen. Musikalisch sind die fünf aber über jeden Zweifel erhaben und grooven megatight. Geile Sache!

LETHAL STEEL bekomme ich nur auf der Tonspur mit. Im Gegensatz zum Freitag ist jetzt auch das Marx, der kleine Saal der Markthalle, offen. Es ist aber auch so voll, dass irgendwann Einlass-Stopp ist. Ich finde es nicht schlimm, denn das krass überzogene Trällern des Sängers passt zwar zum NWOBHM-Sound der Band, ist mir aber zu nervig. Das sehen viele offenbar anders, vielleicht macht die Musik mit Sichtkontakt mehr Sinn.

Ich gehe lieber pünktlich zu TRIAL, wo auch einiges überzogen wirkt. Der Sänger wirbelt mit dramatischen Magier-Bewegungen über die Bühne, was allerdings hervorragend zu dem kauzigen Gebräu aus klassischem Metal und KING DIAMOND-OVER-THE-TOP-Style passt. Der Mann tiriliert in den allerhöchsten nur denkbaren Lagen und steht klar im Mittelpunkt des Geschehens. Kommt richtig gut und wird mit fröhlichem Applaus belohnt!

Direkt im Anschluss begeistern mich MOUNTAIN WITCH. Die deutsche Band hat gerade ihr neues und saustarkes Album „Burning Village“ veröffentlicht, das sie im Marx quasi komplett spielen. Leider gibt’s eine unschöne Zwangspause: Ein Monitor raucht ab, sodass sich der trommelnde Sänger / singende Trommler nicht mehr hören kann. Verständlich, dass da Abhilfe geschaffen werden muss – aber, Kollege, du klingst auch ohne Monitor großartig!

Überhaupt liefern MOUNTAIN WITCH eine sympathische und tolle Show, in deren Mittelpunkt eben jener Drummer steht respektive sitzt, der sich da hinten auf der Bühne so abrackert, dass er schnell komplett nassgeschwitzt ist. Nicht nur ich feiere den Mix aus BLACK-SABBATH-Doom und 70s-Hippie-Rock ab, das Publikum scheint grundsätzlich recht angetan zu sein von dem Trio. 

WEDERGANGER hingegen spalten die Gemüter. Alle anderen finden die Band offenbar geil, ich nicht. An sich ist der Sound auch für mich okay, der sich irgendwo zwischen Post-Metal und eisig-düsterem Black Metal bewegt. Die zwei Sänger gehen mir aber nicht nur wegen des überambitionierten Stageactings gehörig auf die Nüsse: Abwechselnd gibt’s Geschrei und wohl atmosphärisch gemeinten, für meine Ohren aber eher peinlich klingenden Klargesang, der stark an die Pseudopriester von Gregorian erinnert. Aber was soll’s, man muss ja auch mal was essen gehen …

Auf dem Weg nach draußen läuft mir ein untersetzter Glatzkopf mit dicker Schminke um die Augen über den Weg. Das Outfit finde ich leicht übertrieben, stelle dann aber fest, dass der Mann zum Trio BESTIAL RAIDS gehört. Wieder so eine Sache, an der sich die Geister scheiden. Der Gitarrist trägt Gasmaske und alle drei rödeln einfach nur infernalisch auf ihren Instrumenten herum. Das Ergebnis ist denkbar roh und ungeschliffen – viele mögen das und recken von Beginn an die Fäuste, andere verlassen wie ich relativ schnell den Saal. (Helge)

RAM aus Schweden laden anschließend in der großen Halle zum ultimativen JUDAS PRIEST-Worshipping. Wie fast durchgängig an diesem Wochenende, ist der Sound von Anfang an perfekt und die Jungs hängen sich von Anfang an rein, um eine gelungene Show zu bieten. Die Riffs schneiden und auch die hohen Screams von Sänger Oscar treffen voll ins Schwarze. Das einzige, was von den starken Songs ablenkt, ist das ununterbrochene Gefuchtel des Vokalakrobaten – aber besser mit 110% Motivation auftreten, als auf Halbgas zu gehen. Die Meute dankt es mit schwingenden Matten und spätestens beim neuen Band-Hit „The Usurper“ steht die ganze Halle Kopf. Eine Band, die live und auf Platte immer wieder Spaß macht!

Dass das Marx viel zu klein sein würde, um allen Neugierigen einen Blick auf (DOLCH) zu gewähren, war eigentlich schon im Vorfeld klar. Die deutschen Senkrechtstarter mit ihrem ungewöhnlichen Sound dennoch im kleinen Raum spielen zu lassen, war die richtige Entscheidung; die hypnotisierende Mischung aus Black Metal und Ambient ist so eigenwillig, speziell und intensiv, dass hierfür einfach ein intimerer Rahmen gebraucht wird, um das Material voll zur Geltung kommen zu lassen. Es ist voll, schwitzig, neblig – und die Songs von (DOLCH) nehmen einen mit auf eine Reise. Große, originelle Musik!

Der Auftritt von SKEPTICISM wird zwiegespalten wahrgenommen: Währende einige die Finnen für ihren langsamen und behäbigen Funeral Doom verehren, verkippen andere vor einsetzender Müdigkeit fast ihr Bier. Eindeutig eine Band, zu der man in der richtigen Stimmung sein muss.

Doomig geht es auch bei BLACK CAPRICORN zur Sache. Das italienische Trio bietet recht psychedelische Slo-Mo Kost, die in okkulten Gefilden wildert und die Fans im kleinen Marx berauscht vom Sound mitnicken lässt.

MGLA sind dann für viele Besucher DAS Highlight des Festivals – und spielen in der Tat ein bärenstarkes Set. Wie bei (DOLCH) stratzen die Musiker beim Soundcheck noch unmaskiert über die Bühne und lassen den Zuschauer verwundert dreinschauen ob der Tatsache, dass so junge Leute hinter so ausgereiften Songs stecken. „Ausgereift“ bedeutet in diesem Sinne jedoch alles andere als „durchkonzipiert“ – die Lieder sind wild, abgründig und erschaffen einen unvergleichlichen Sound-Moloch im Rahmen des kalten, aber melodiösen Black Metal, dem man sich nicht entziehen kann.

In der Setlist werden alle drei Studioalben der Band sowie die EPs „Further Down The Nest“ und „Mdłości“ berücksichtigt, deren Songs begeistert aufgenommen werden. Sicherlich einer der gelungensten Auftritte dieses ohnehin schon großartigen Wochenendes.

DEMON bitten dann zum Abschluss des Festivals in der großen Halle zum Tanz und betreten sichtlich motiviert und gut gelaunt die Bühne der Markthalle, während im Marx HEMELBESTORMER allen denjenigen mit ihrem Post-Metal den Rest geben, die es etwas düsterer mögen.
Die Briten jedoch feuern zahlreiche Hits ins Publikum, darunter natürlich „Sign Of A Madman“, „Fill Your Head With Rock“, bis ganz zum Ende die wohl berühmtesten Songs ausgepackt werden, die wirklich jeder im Schlaf mitsingen kann: „Night Of The Demon“ und „Don't Break The Circle“.

Im Nachhinein hört man von einigen Seiten, dass der Auftritt zu kurz gewesen sei, und dieser oder jener Song gefehlt hätte – der Großteil derer, die anwesend waren, dürfte jedoch mit der spaßigen Performance der Legenden vollkommen zufrieden und mit einem dicken Grinsen hinaus in die Nacht gegangen sein. (Tamino)

Das HELL OVER HAMMABURG war auch 2016 wieder ein gut organisierter Spaß mit geschmackssicher ausgewählten Bands und das BurnYourEars-Team wird sicherlich auch 2017 wieder am Start sein – erste Bands sind auch bereits bestätigt, darunter ANGEL WITCH und TYGERS OF PAN TANG.
Helge

Stile: Doom Metal, Black Metal, Post Rock, Stoner, Prog

Bands: My Dying Bride, Opeth, Nachtmystium, Saint Vitus, Genesis