Zugegebenermaßen konnte mich die Sängerin Amalie Bruun (Bild links, Quelle: metal-archives.com) dann tatsächlich nicht überzeugen. Trotz ihres elbenhaften Gesangs war das Gesamtbild irgendwie nicht stimmig. Die zierliche Sängerin wirkte verloren, verbarg ihr sicherlich hübsches Gesicht hinter den blonden Haaren, interagierte weder mit dem Publikum, noch mit der Band.
Mittlerweile habe ich mich natürlich informiert und herausgefunden, dass es sich bei MYRKUR tatsächlich um eine "Ein-Frau-Band" handelt und die Musiker daher eher im Hintergrund stehen. Trotzdem hat mich nach diesem Abend die Frage nicht mehr losgelassen, was es eigentlich mit der Rolle der Frau im Metal auf sich hat – und zwar nicht im Allgemeinen, sondern aus der Sicht anderer Frauen. Bin ich ein missgünstiger Einzelfall oder sind Frauen vielleicht sogar die schlimmeren Sexisten, die ihresgleichen den Erfolg in einer Männerdomäne missgönnen?
Um diese Frage zu erläutern, habe ich mich mit zwei Freundinnen zusammengesetzt. Eine von ihnen ist professionelle Musikerin und Sängerin in einer Symphonic Metal Band, die andere seit Ewigkeiten in der Metalszene unterwegs und eine große Liebhaberin von Extreme-Metal. Naja, und dann gibt es noch mich: Metalfan, Schreiberling und Hobbysängerin.
Gemeinsam haben wir uns die Frage gestellt, wie wir eigentlich zu Frauen im Metalbusiness stehen. Insbesondere zu Sängerinnen. Und wir müssen gestehen, dass wir nicht auf alle Antworten stolz sind. Bevor ihr weiterlest sei gesagt, dass dies nur eine kurze und subjektive Betrachtung des Themas ist und dass unsere Meinungen (die auch nicht immer einheitlich waren) natürlich nicht repräsentativ für das gesamte weibliche Geschlecht sind.
Niemand wird wohl abstreiten, dass Metal nach wie vor eine Männerdomäne ist. Einzige Ausnahme bildet hier die Spielart des Symphonic Metal. In diesem Bereich gehören Frauen am Mikrofon zur äußerst erfolgreichen Regel, anstatt zur Ausnahme. Bands wie NIGHTWISH, WITHIN TEMPTATION, SIRENIA oder EPICA dominieren das Genre und sind zu großen Teilen sogar erfolgreicher, als ihre rein männlichen Kollegen. Nun ist es natürlich naheliegend, bei klassischem Gesang eine Frau ans Mikro zu lassen, die im Idealfall auch noch etwas fürs Auge ist.
Anders sieht es in den Bereichen des Metal aus, in denen Shouting oder gutturaler Gesang im Mittelpunkt stehen. Da wird es dann wirklich dünn, was die weibliche Beteiligung angeht. Aber natürlich gibt es auch hier ein paar wenige Ausnahmen, die ganz oben mitspielen. Als Beispiele seien die Hardcore-Band WALLS OF JERICHO mit Candace Kucsulain (Bild rechts © metaltrip.com) oder die Nu Metal Combo OTEP mit Otep Shamaya am Mikrofon genannt. Und auch im klassischen Heavy Metal gibt es Größen wie DORO PESCH oder Noora Louhimo von BATTLE BEAST. Absolute Vorreiterin des gutturalen Gesangs ist die ehemalige ARCH ENEMY Sängerin Angela Gossow, die neben ihrem äußerst hübschen Äußeren auch eine Stimme mitbringt, die sogar mach männlichen Kollegen vor Neid erblassen lässt.
Aber warum gibt es eigentlich so wenige Frauen, die sich zwischen den harten Kerlen ans Mikro trauen? Den Grund dafür konnten wir nicht klären und diesen Anspruch hatten wir auch gar nicht. Wir sind uns aber sicher, dass es nicht DEN Grund gibt, sondern eine Vielzahl von Dingen, die dazu führen. Sei es die Erziehung, das Umfeld, oder schlicht das fehlende Interesse. Denn es wäre ja – schockierender Weise – auch möglich, dass sich einfach nicht so viele Frauen für diese Art von Musik interessieren und sich stimmlich eher im Pop zuhause fühlen.
Aber sei es drum. Wir haben uns ja vor allen Dingen der Frage gewidmet, was wir als Frauen von Frauen im Metal halten. Sind wir zum Beispiel der Meinung, dass eine Frau, die sich im Metal behaupten will, besser sein muss, als ein Mann? Wir denken: Ja. Allein schon, weil es weniger Frauen gibt (wir lassen den Symphonic Metal Bereich jetzt mal beiseite), fallen die paar, die sich dann auf eine Bühne trauen, auch besonders ins Auge bzw. Ohr.
Gerade mit dem weiblichen Publikum haben sie es dann ganz besonders schwer. Gerne würden wir behaupten, dass wir ihnen schwesterlich zur Seite stehen, aber wir geben es offen – wenn auch sehr ungern - zu: Eine gewisse Stutenbissigkeit können wir nicht abstreiten. Insbesondere, wenn die Künstlerin sehr hübsch ist und mit ihren weiblichen Reizen sehr offensiv spielt, tritt der Fall ein, den ich ganz oben schon beschrieben und an mir selbst beobachtet habe: Mit dem Moment, in dem sie ihren Fuß auf die Bühne setzt, kommt sie automatisch auf den Prüfstand und wird von uns gnadenlos durchgecheckt.
Wir verzeihen ihr nichts. Wir hören jeden schiefen Ton, sehen jede unpassende Bewegung und stören uns an ihrer Kleidung. Und wenn sie nicht überzeugen kann, ärgern wir uns. Wir ärgern uns, dass sie es nicht geschafft hat, uns zu begeistern. Wir ärgern uns, weil sie mit ihrem kläglichen Gesang dafür sorgt, dass die Voreingenommenheit bestehen bleibt, dass Frauen im Metal weniger können. Und wir ärgern uns, dass die Männer, mit denen wir da sind, das alles gar nicht zu hören scheinen, ja, dass sie sogar Sachen sagen wie: „Ist doch gar nicht so schlecht“, oder: „Die ist doch ganz hübsch ...“.
Und dann finden wir diese Männer auch einen Moment lang blöd. Dabei verstehen wir sie sogar. Denn, ehrlich gesagt, wir haben jetzt auch erst mal überhaupt nichts gegen einen FrontMANN, der dem Auge schmeichelt.
Trotzdem scheinen Frauen im Allgemeinen kritischer zu sein. Denn während unsere Begeisterung gegenüber dem Frontmann auch schnell abflacht, wenn er stimmlich und performancetechnisch nicht überzeugen kann, scheint es dem Großteil des männlichen Publikums völlig auszureichen, wenn die Sängerin dem Auge schmeckt. Wie es sich bei Männern mit Sängern verhält, bliebe vielleicht noch mal gesondert zu prüfen – leider können wir das in unserer Runde ja nicht machen.
Dabei haben wir überhaupt nichts dagegen, wenn eine Frau gekonnt ihre Reize einsetzt. Maria Brink von IN THIS MOMENT ist ein gutes Beispiel hierfür. Die dralle Blondine hüllt sich bevorzugt in kurze Schulmädchen-Röcke, Lack und Dessous, präsentiert ihre blonde Wallemähne und trägt knallroten Lippenstift. Aber sie bietet deutlich mehr, als ihre aufgerüschte Fassade. Maria vereint ihre optischen Vorzüge mit einer unfassbaren Bühnenpräsenz und einer markanten, perfekt ausgebildeten Stimme. Sie wirkt zu keinem Zeitpunkt wie eine Marionette, die sich dem Gedankengut eines fetischistischen Managers unterordnen muss. Sie spielt bewusst und aus voller Überzeugung mit Klischees und Erotik, weil sie es so möchte.
Ähnlich verhält es sich mit ALISSA WHITE-GLUZ von ARCH ENEMY. Auch sie präsentiert sich gerne sexy, wenn auch nicht so sehr mit dem Holzhammer wie Maria. Aber sie stylt sich und hüllt sich in knappe, zerrissene Oberteile. Wer Alissa schon einmal live gesehen hat, wird dennoch nicht anders können, als Respekt vor ihrer musikalischen Leistung zu haben. Denn ebenso wie ihre Vorgängerin Angela Gossow beherrscht sie den gutturalen Gesang meisterlich.
Die gute Nachricht – auch für uns – ist, dass wir Frauen durchaus ihren Erfolg auf der Bühne gönnen. Mehr noch, wenn sie uns in ihrer Gesamtheit überzeugen können, verehren wir sie geradezu und können neidlos anerkennen, dass diese schöne, talentierte, selbstbewusste Frau es verdient, dort oben zu stehen und ziehen unseren Hut vor ihr.
Apropos Hut: 2013 hatte ich ein interessantes Erlebnis auf dem Wacken Open Air. Bei der Show von ALICE COOPER stand die Gitarristin Orianthi Panagaris (Bild links © skogsrojet.se) mit auf der Bühne und alle, ja, wirklich ALLE Männer um mich herum waren von der ersten Sekunde an schockverliebt in die blonde Schönheit mit dem tief ins Gesicht gezogenen schwarzen Hut, die lasziv auf ihrem Kaugummi kaute – und zwar völlig zu Recht: Noch nie habe ich eine so gute Gitarristin gesehen, die dazu auch noch aussieht, als wäre sie direkt aus dem Penthouse-Magazin auf die Bühne gefallen. Solchen Frauen gönnen wir es von Herzen und träumen vielleicht sogar davon, ein kleines bisschen zu sein wie sie.
Was uns aber wirklich stört, aus künstlerischer und feministischer (argh, sie hat das böse Wort gesagt) Sicht, sind wimpernklimpernde Püppchen ohne eigene Attitüde, die einfach nur da sind, weil sie irgendwo ein Casting gewonnen oder sich ein bisschen zu gut mit einem Produzenten verstanden haben.
Es gibt so wenige Frauen, die es im Metal wirklich schaffen, Einfluss zu nehmen, dass uns jede hirnlose Gesangsmarionette doppelt nervt. Aus künstlerischer Sicht ist es einfach sehr frustrierend, wenn eine zweit- oder sogar nur drittklassige Sängerin Erfolge feiern kann, nur weil ihre Bluse ein bisschen zu knapp für ihre Oberweite ist, während man selbst jahrelang Musik studiert und die eigene Stimme ausgebildet hat, so die Sängerin in unserer Runde.
Wir wollen gerne starke Frauen auf der Bühne sehen. Wir wollen Vorbilder anschauen und uns von ihnen begeistern lassen. Metal, in jeder Form, ist eine starke und kraftvolle Musik. Und genau das möchten wir auch sehen. Wir wollen Frauen, die ihren Mann stehen, von denen wir das Gefühl haben, dass sie da oben sind, weil sie es sich verdammt noch mal verdient haben. Weil sie mit Herzblut dabei sind und lieben, was sie tun. Dann stört es uns auch kein bisschen, wenn sie aussehen wie die Realversion von Jessica Rabbit. Es muss nur authentisch sein.
Und das ist genau der Punkt. Wir wollen gar nicht unbedingt mehr Frauen im Metal. Aber wir wollen gute Frauen dort sehen, zu denen wir aufschauen können. Bei denen erst einmal die Leistung im Vordergrund steht und keine Casting-Mäuschen, die nur aufgrund ihrer Reize engagiert wurden und weder eigene Texte, noch eigene Überzeugungen auf der Bühne vertreten.
Dann können wir auch die Stutenbissigkeit bei Seite legen und uns selbst schockverlieben.